"Energie-Krieg" mit der Ukraine ohne Sieger
Stand: 20.01.2009
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Moskau - Nach fast zweiwöchiger Totalblockade von Europas wichtigster Gas-Transitstrecke fasste sich der Chef des ukrainischen Energieversorgers Naftogas in Moskau am Telefon kurz. "Machen Sie sich bereit zur Aufnahme von russischem Gas", befahl Oleg Dubina aus der Zentrale des russischen Gasmonopolisten Gazprom heraus der Naftogas-Nachtschicht im fernen Kiew. "Danke. Wiederhören." Dann drehte er sich zu Gazprom-Chef Alexej Miller und hob die Schultern. "Das wärs", sagte Dubina und verließ den Saal. Zwar floss nach dem Telefonat am Dienstag tatsächlich erstmals wieder russisches Gas über die Ukraine in die EU. Dennoch wich im Westen die Skepsis angesichts des beispiellosen Energiekonflikts nicht.
Wie zur Bestätigung dieser Zweifel äußerte bereits ein Mitarbeiter des ukrainischen Präsidenten Viktor Juschtschenko Kritik am Abkommen von Regierungschefin Julia Timoschenko mit Moskau. Einiges, was Juschtschenkos innenpolitische Rivalin vereinbart habe, sei nicht abgesprochen gewesen, sagte Alexander Schlapak vom Präsidialamt. Nach dem Streit könne man kaum mehr alle Aussagen der russischen und ukrainischen Partner für bare Münze nehmen, sagte der Berater der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft, Vaclav Bartuska. Das Verhalten von Moskau und Kiew sei oft weder ehrlich, noch verständlich gewesen.
Medien in Kiew sehen nach der offiziellen Beilegung des Streits weiter viele Fragen offen. "Dass die ukrainische Delegation die Details der Einigung nicht offenlegte, stimmt bedenklich", kommentierte die Zeitung "Den". Das Blatt hält die Ukraine für den "Verlierer" des Streits: "Russland hat es geschafft, Europa nervös zu machen und wird künftig für sein Gas mehr kassieren - auch von Kiew." Die Zeitung "Ukraina moloda" sieht Moskau ebenfalls als Sieger im Streit mit dem Nachbarland und bezeichnete die Kompromissbereitschaft der Ukraine als "mehr oder weniger akzeptable Kapitulation".
Für Russland dürfte die Bilanz des "Gas-Krieges" aber nüchtern ausfallen. Regierungschef Wladimir Putin hatte bereits vergangene Woche bei einem Deutschland-Besuch auch einen politischen Schaden für sein Land eingeräumt. Etwas irritiert reagierten russische Medien auf die demonstrativ positive Atmosphäre zwischen Putin und Timoschenko, nachdem sich beide Länder in den Wochen zuvor heftig beschimpft hatten. Die EU, die noch zuletzt als "dringend benötigter Vermittler" erbeten wurde, scheint Russland und die Ukraine nun eher bei ihren Gasgeschäften zu stören. Projekte wie ein internationales Konsortium für den technischen Betrieb der Pipeline sowie ein Team aus EU-Gas- Kontrolleuren seien nicht mehr erforderlich, sagte Putin. Dabei hatte der Streit um Details in gerade diesen Fragen die Einigung verzögert.
Gleich zweimal hatten die Gas-Streithähne Kompromissbereitschaft beteuert und hochrangige EU-Vertreter anreisen lassen, um diese dann doch mit leeren Händen wieder nach Hause zu schicken. "Die von Timoschenko und Putin geschlossene Vereinbarung gilt ja angeblich zehn Jahre", sagte ein EU-Diplomat am Dienstag. "Selbst wenn das Abkommen tatsächlich so lange halten sollte, war es einen derartigen Handelskrieg nicht annähernd wert."