Edertal (dpa) - Kraftwerke rauchen und stinken und sind kilometerweit zu sehen - dieses ziemlich verbreitete Klischee gilt aber nicht in Nordwesthessen. Direkt an Hessens erstem Nationalpark Kellerwald-Edersee liegen gleich vier Kraftwerke. Doch hier qualmt nichts, hier rauscht es höchstens: Am Edersee sorgen vier Wasserkraftwerke für elektrischen Strom.
"
Wasserkraft macht im deutschen Energienetz zwar nur fünf Prozent aus, eine ganze Menge davon wird aber hier am Edersee erwirtschaftet", erklärt Jörg Lingelbach. Der Maschinenbauingenineur ist einer von drei Technikern der
E.ON Wasserkraft, die für die vier Anlagen verantwortlich sind: Das Laufwasserkraftwerk Affoldern, das Speicherkraftwerk Hemfurth I und die beiden Pumpspeicherkraftwerke Waldeck I und II. Bekannt ist eigentlich nur Hemfurth I - das Kraftwerk an der riesigen Sperrmauer des Edersees. Dabei sind die Pumpspeicherwerke für das deutsche Energienetz viel wichtiger. Sie sind sozusagen die "Akkus" im Stromnetz, denn die Wasserspeicher werden mit dem im Überfluss vorhandenen Nachtstrom aufgefüllt, um tagsüber den Spitzenbedarf abzudecken.
Entsprechend groß sind diese "Akkus". Vom Edersee aus erkennt man sie nur am fehlenden Gipfel: Wie abgeschnitten sieht die Spitze eines Berges über der Staumauer aus. Es ist ein 4,7 Millionen Kubikmeter Wasser fassender See, der für die flache Silhouette sorgt. Gut 300 Meter über dem Umland liegt er, künstlich angelegt in den siebziger Jahren. Die riesige Asphaltwanne hat in der Mitte einen Strudel - zumindest tagsüber. Fast 160 Kubikmeter Wasser pro Sekunde rauschen dann durch 900 Meter lange Röhren und treiben zwei Turbinen an. Mit diesen gut tausend Badewannenladungen - Sekunde für Sekunde - erzeugt Waldeck II etwa 460 Megawatt
Strom, bei dem Vorkriegsmodell Waldeck I sind es 140 Megawatt.
"So können wir acht Stunden Vollast laufen und dafür sorgen, dass zum Beispiel Frankfurt tagsüber genug Strom hat", sagt Lingelbach. Nachts, wenn weit mehr
Energie als benötigt zur Verfügung steht, wird das Wasser wieder hochgepumpt - für morgen. In Nordwesthessen gibt es so die bizarre Situation, dass es in der Region morgens zwei große Bergseen gibt, abends nicht.
Die E.ON-Planer denken strategisch. Wasserkraft werde wichtiger, Windenergie auch. Da aber die Windräder auch nachts laufen, wenn nicht so viel Strom gebraucht wird, kommen wieder die Pumpspeicherwerke ins Spiel. Wenn das Wasser durch die fast sechs Meter hohen Röhren läuft, liefern sie zwar nur noch 80 Prozent der Energie, die das Hochpumpen gekostet hat. Dennoch sind sie damit weit wirtschaftlicher als die meisten anderen Kraftwerke. So werden dank der Windkraft zu den gut 30 Pumpspeicherwerken in Deutschland möglicherweise bald noch ein paar hinzukommen. Bis dahin wird aber noch viel Wasser die Rohre am Peterskopf herunterrauschen.