Endlose Gorleben-Debatte: Erkunden, stilllegen oder ausbauen?
Stand: 03.01.2012
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Berlin/Hannover/München/Gorleben - Die Diskussionen um ein mögliches Atommüll-Endlager in Gorleben gehen weiter. Während die SPD ein Gesetz zur neuen Endlagersuche fordert, sind FDP- und CDU-Politiker für eine weitere Erkundung des Salzstocks Gorleben. Atomkraftgegner fürchten sogar, dass die Regierung dort bereits mit dem Endlager-Bau begonnen hat.
In der Debatte über die Suche nach einem neuen Atommüllendlager geht die SPD mit einem eigenen Vorschlag in die Offensive. Wie die "Süddeutsche Zeitung" in ihrer Dienstagsausgabe berichtete, soll nach dem Willen der Sozialdemokraten künftig ein eigenes "Endlagerverfahrensgesetz" die Suche regeln.
Die SPD fordert demnach laut einem Papier der Parlamentarier Ute Vogt und Matthias Miersch ein sechsstufiges Verfahren. Darin sollen zunächst die Kriterien für ein Endlager festgelegt werden, ehe einzelne Regionen ausgeschlossen werden. Von fünf potenziellen Standorten sollen am Ende zwei übrigbleiben, die dann unter Tage erkundet und miteinander verglichen werden sollen, wie die "SZ" aus dem Papier zitierte.
Ziel des Verfahrens sei es, das "bestmögliche Endlager in tiefen geologischen Gesteinsformationen bereitzustellen", schrieben Vogt und Miersch demnach. Anders als bisher sollen zudem die Genehmigungsbehörden nicht erst am Ende des Suchverfahrens mit dem Planfeststellungsverfahren beginnen, sondern bereits am Anfang.
Die SPD-Fraktion will sich dem Bericht zufolge auf ihrer Klausur Mitte Januar mit den Vorschlägen befassen. "Mit den Eckpunkten liegen detaillierte Vorschläge der SPD auf dem Tisch", sagte Vogt. "Jetzt ist die Bundesregierung am Zug." Regierung und Länder suchen derzeit einen neuen gemeinsamen Ansatz für eine bundesweite Endlagersuche, bei dem auch andere mögliche Standorte außer dem niedersächsischen Gorleben untersucht werden sollen.
Birkner: "Gorleben weiter erkunden"
Nach Ansicht des designierten niedersächsischen Umweltministers Stefan Birkner (FDP) soll der Salzstock Gorleben weiter ergebnisoffen auf seine Eignung als atomares Endlager erkundet werden. Bis heute gebe es keine Erkenntnisse, die gegen die Eignung sprächen, sagte er am Dienstag im Deutschlandradio Kultur. Birkner reagierte damit auf das jüngste SPD-Konzept für die Entsorgung des Atommülls, bei dem Gorleben als mögliches Endlager nicht mehr vorkommen soll.
Die Politik stehe in der Pflicht, mit dem nuklearen Abfall dauerhaft verantwortungsvoll umzugehen. Er tue sich deshalb schwer, "einfach einen Standort, den man angefangen hat, zu erkunden, jetzt auszuschließen", sagte Birkner. Wenn man aus politischen und nicht aus geologischen Gründen einen Standort ausschließe, berge das für ihn die Gefahr, dass auch an anderen Standorten eine Erkundung nicht möglich sein werde. "Deshalb habe ich ein erhebliches Problem mit einer solchen Position, weil sie am Ende das Problem nur an andere Orte oder an weitere Orte verschiebt, wo es dann auch nicht zur Lösung kommen kann, weil dort den Menschen das dann auch nicht zugemutet werden kann."
Baut der Bund bereits ein Endlager in Gorleben?
Atomkraftgegner fürchten, dass die Regierung im Salzstock Gorleben bereits ein Endlager für radioaktive Abfälle baut und damit gegen geltendes Recht verstößt. Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) habe selbst eingestanden, dass unter Tage nicht nur erkundet, sondern schon ein Endlager errichtet werde, erklärte am Montag die Bürgerinitiative (BI) Umweltschutz Lüchow-Dannenberg.
Sie berief sich dabei unter anderem auf öffentliche Äußerungen Röttgens. Der Minister habe während der Pressekonferenz im Anschluss an das Bund-Länder-Treffen zum Neustart der Endlagersuche nicht bestritten, dass in Gorleben "ein Anschein entstehen könnte, dass über Untersuchungen hinaus sozusagen schon ein Endlager vorbereitet wird". Ein vergleichbares "Eingeständnis" finde sich auch auf der Homepage der Deutschen Gesellschaft für den Bau und Betrieb von Endlagern für Abfallstoffe (DBE), die mit den Arbeiten in Gorleben betraut ist.
Der Bau eines Atommüllendlagers setze aber ein atomrechtliches Genehmigungsverfahren mit Anhörung der Öffentlichkeit voraus, sagte BI-Sprecher Wolfgang Ehmke. "Das hat nicht stattgefunden." Stattdessen schaffe der Bund, der laut Atomrecht für den Bau und Betrieb eines Endlagers zuständig sei, "rechtswidrig Fakten". Ein weiteres Indiz, dass im Salzstock bereits ein Endlager gebaut werde, seien die Kosten. Bislang seien in Gorleben rund 1,6 Milliarden Euro ausgegeben worden. Das Bundesamt für Strahlenschutz habe aber eingeräumt, dass die Untersuchung anderer möglicher Endlager-Standorte lediglich 400 bis 500 Millionen Euro koste.