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Endlagersuche ohne Tabus? Gorleben bleibt im Fadenkreuz

Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: dpa

Gorleben/Berlin - Der massive Protest gegen den Castor-Transport nach Gorleben zeigt, was in den nächsten Jahren bei der geplanten neuen Endlagersuche das größte Problem sein wird. Zwar kündigt Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) eine weiße Landkarte und eine "Suche ohne Tabus" nach einem Ort für hochradioaktiven Atommüll an, doch bleibt das rote Kreuz auf der Karte bei Gorleben bestehen.

In rund 800 Metern Tiefe wird in den großen Stollen parallel zur Erarbeitung des für 2012 geplanten Endlagersuchgesetzes weiter erkundet. Knapp 1,6 Milliarden Euro wurde seit 1977 bisher für die Eignungsprüfung des Salzstocks an der früheren DDR-Grenze bereits ausgegeben - den Großteil trägt die Atomwirtschaft, bis 2010 wurden 142 Millionen Euro an Steuergeldern (rund 9 Prozent) investiert.

Entscheidung zwischen zwei Standorten?

Die Befürworter argumentieren, dass es rausgeworfenes Geld sei, wenn man einen bereits umfassend erkundeten Ort wie Gorleben einfach vorschnell aufgebe. Röttgen macht klar, dass es am Ende der Suche in jedem Fall eine Entscheidung zwischen zwei Standorten geben wird.

Die Debatte über Röttgens Haushalt nutzten SPD, Grüne und Linke am vergangenen Dienstag, um das Gorleben-Problem aus ihrer Sicht zu filetieren. "Jeder weitere Castor im schon vollen Zwischenlager Gorleben macht es wahrscheinlicher, dass der Schwarzbau eines Tages zum Einsatz kommt", sagt die Linken-Abgeordnete Dorothée Menzner.

Für neue Suche 3,5 Millionen, für Gorleben-Erkundung 73 Millionen

Für die neue Standortsuche stünden im kommenden Jahr zwar erstmals 3,5 Millionen Euro zur Verfügung, für die Weitererkundung in Gorleben aber zugleich 73 Millionen Euro, fast dreimal so viel wie noch 2010. Die CDU-Politikerin Marie-Luise Dött begründet das mit Mehrkosten für den Fahrzeug- und Gerätepark sowie einem höheren Aufwand bei der Betriebsüberwachung. "Wir haben immer gesagt, dass die ergebnisoffene Erkundung von Gorleben zu Ende geführt wird", sagt Dött.

Menzner hält dagegen, der Salzstock Gorleben sei ungeeignet, "was das Deckgebirge, den Grundwasserkontakt oder das Gas betrifft". Daher müsse der Ort sofort aus dem Topf der möglichen Standorte genommen und alle untertägigen Arbeiten eingestellt werden. "Dann reichen Mittel, um eine bergtechnische Sicherung von Gorleben vorzunehmen." 25 Millionen Euro im Etat für 2012 seien dafür völlig ausreichend.

Sven-Christian Kindler von den Grünen unterstellt Minister Röttgen ein falsches Spiel: "Sie schaffen weiter Fakten in Gorleben, Sie treiben den Schwarzbau weiter voran, obwohl längst klar ist, dass das Endlagerprojekt in Gorleben gescheitert ist." Der innerparteiliche Streit der Grünen, die sich bei ihrem Parteitag für einen Baustopp in Gorleben aussprachen, unterstreicht die Komplexität des Problems.

Neue Endlagersuche sei keine Alibiveranstaltung

Baden-Württembergs Grünen-Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der mit der Öffnung seines Landes für eine neue Suche den Weg für den Neustart bereitet hat, findet im Gegensatz zu vielen Parteifreunden den Castor-Protest überholt. Er betont: "Da Salzstöcke grundsätzlich infrage kommen, bleibt Gorleben erstmal drin." Zugleich sagt er, dass die Suche keine Alibiveranstaltung sei und der Müll dann am Ende doch in Gorleben landen wird, wie sie im Wendland fürchten. "Es geht nicht um Geografie, sondern um Geologie", das sei die Devise.

Auch die Schweiz, die 2003 eine landesweite Endlagersuche nach transparenten und wissenschaftlichen Kriterien sowie mit Beteiligung der Bürger beschlossen hatte, lässt den lange von der Atomwirtschaft favorisierten Standort Benken im Kanton Zürich im Rennen. Erfolgreich kann die Suche mit Gorleben letztlich nur sein, wenn die Kriterien für alle nachvollziehbar und wissenschaftlich begründet sind. Und wenn nicht wie bei Gorleben viele Bürger den Eindruck haben, dass die Politik sich mit der Atomwirtschaft ein Endlager zurechtbiegt.

"Lasst uns doch Gorleben nehmen, da sind wir schon so weit"

Die Gorleben-Gegner fürchten aber, dass es angesichts möglicher Proteste in anderen Standortgebieten am Ende heißen könnte, lasst uns doch Gorleben nehmen, da sind wir schon so weit. Der Präsident des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS), Wolfram König , betont: "Ich glaube, dass eine Weitererkundung von Gorleben die Glaubwürdigkeit einer ergebnisoffenen Standortsuche belastet, weil der Eindruck entstehen kann, dass es eine Vorfestlegung auf Gorleben gibt."

Mit dem aktuellen Castor-Transport werden es 113 Behälter mit hochradioaktivem Atommüll sein, die in Gorleben auf die Endlagerung warten. Können sie nach jahrzehntelanger Abkühlung nicht im nahe gelegenen Salzstock für immer gelagert werden, müssen sie wieder für viele Millionen Euro abtransportiert werden. Röttgen, der nach einem von Rot-Grün erlassenen zehnjährigen Moratorium die Arbeiten in Gorleben wieder aufnehmen ließ, betont, SPD und Grüne hätten der nächsten Generation das Endlagerproblem vor die Füße schieben wollen. Hier nun einen Neustart zu wagen, das sei der Unterschied zwischen der schwarz-gelben Energiewende und dem rot-grünen Atomausstieg.