EnBW steht nach Riesenverlust unter Strom
Stand: 15.08.2003
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Karlsruhe (dpa/lsw) - Der drittgrösste deutsche Energieversorger Energie Baden-Württemberg AG EnBW steht nach dem Riesenverlust von fast einer Milliarde Euro im ersten Halbjahr unter Strom. Im gesamten Vorstand herrsche Einigkeit darüber, dass nun die "Ärmel noch höher gekrempelt" werden müssten als bisher beabsichtigt: Diese Parole gab der neue Vorstandschef Utz Claassen (40) für die kommenden Wochen und Monate aus. Mit einem umfangreichen Massnahmenpaket will die EnBW (Karlsruhe) wieder in ruhigeres Fahrwasser gelangen.
Claassen hatte erst im Mai das Ruder von seinem Vorgänger Gerhard Goll übernommen und dem verschachtelten EnBW-Konzern sogleich eine Radikalkur verordnet. Bis 2006 will er die Kosten um eine Milliarde Euro senken. Claassen will sich auf die EnBW-Kernkompetenz Energie konzentrieren und 143 der knapp 400 Beteiligungsgesellschaften verkaufen oder verschmelzen. Alle "Verlustbringer" sollen besser heute als morgen ihre Rentabilität beweisen.
Einerseits versucht der neue Chef jedes schlechte Wort über Goll in der Öffentlichkeit zu vermeiden, andererseits betont er, dass die aktuelle Krise ihren wesentlichen Ursprung "in aus der Vergangenheit herrührenden Problembereichen" habe. Diese müssten nun als "Altlasten" bilanziell verarbeitet werden.
Durch die negativen Zahlen dürfte sich auch die Kreistagsfraktion der Grünen im Landkreis Ravensburg in ihrer Kritik bestätigt sehen. Hatte sie doch vor wenigen Tagen gegen den früheren Vorstandschef Goll eine Anzeige wegen Untreue erstattet. Nach Auffassung der Grünen wurde der EnBW-Aufsichtsrat über das Milliarden-Defizit, das erst jetzt ans Licht kam, nicht ausreichend informiert.
Die millionenschweren Abschreibungen und Massnahmen zur Risikovorsorge betreffen unter anderem den von Pleiten, Pech und Pannen verfolgten Abfall-Entsorger Thermoselect in Karlsruhe (283 Mio Euro). Zu den weiteren Sorgenkindern gehören die Schuh- und Dienstleistungstochter Salamander (195 Mio Euro) und die Beteiligung an den Stadtwerken Düsseldorf (208 Mio Euro). Die Billigstrom-Tochter Yello müsse bis Ende 2005 schwarze Zahlen schreiben, fordert Claassen.
Einen Grund zur Panik sieht er nicht. Nach seiner Einschätzung werden sich die Sondereffekte zum grössten Teil nicht auf das operative Kerngeschäft und die Liquidität auswirken. Im Brot-und- Butter-Geschäft mit Strom und Gas entwickelten sich die Erträge stabil. Die Umsätze hätten auf Grund von Übernahmen um 37 Prozent auf insgesamt 5,674 Milliarden Euro zugelegt.
Für das zweite Halbjahr hat die EnBW-Führungsetage eine weitere Ergebnisbelastung in Höhe von knapp 200 Millionen Euro einkalkuliert. Damit ist der Grossteil der Altlasten bereits in der Bilanz berücksichtigt. Auch das Kostensenkungsprogramm TOP FIT, zu dem ein Stellanabbau in noch unbekannter Höhe gehört, wird sich nach Einschätzung Claassens bereits positiv auf das Ergebnis auswirken.