EnBW-Chef Claassen wegen Vorteilsgewährung angeklagt - Ticket-Affäre
Stand: 18.07.2006
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Karlsruhe (dpa) - In der Affäre um die Vergabe kostenloser WM- Tickets an Politiker hat die Staatsanwaltschaft Karlsruhe gegen den Vorstandschef des Energiekonzerns EnBW, Utz Claassen, Anklage erhoben. Wegen Vorteilsgewährung in sieben Fällen muss er sich voraussichtlich vor dem Landgericht Karlsruhe verantworten. Dabei geht es um die Übersendung von Gutscheinen für WM-Tickets an sechs Mitglieder der Stuttgarter Landesregierung und einen Staatssekretär der Bundesregierung. Über die Zulassung der Anklage muss das Landgericht noch entscheiden.
Es sei daher umso unverständlicher, wenn gegen Claassen Anklage erhoben werde, weil dieser Minister Goll und einige Kabinettskollegen ebenfalls zu Fußballspielen eingeladen habe. "Auf dem Rücken einer einzelnen Person soll offenbar ein Musterprozess durchgeführt werden. Das ist bitter für Public-Private-Partnership", sagte der Konzernsprecher.
Die Staatsanwaltschaft will gegen Landeswirtschaftsminister Ernst Pfister (FDP) und den Berliner Staatssekretär das Verfahren gegen Zahlung einer Geldauflage einstellen. Grund: Die beiden Politiker hätten das EnBW-Angebot angenommen, teilte die Staatsanwaltschaft am Dienstag mit. Die übrigen Politiker seien auf die Offerte nicht eingegangen. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft weisen die dienstlichen Aufgaben und Tätigkeiten der sieben Gutscheinempfänger "jeweils Berührungspunkte mit Relevanz für den Geschäftsbereich der Energie Baden-Württemberg AG auf".
Die EnBW war nationaler Sponsor der Fußball-WM. Der Wert der Tickets betrug laut Anklage in Stuttgart 2111 Euro und in Berlin 2600 Euro.
Nach Angaben des Sprechers der Staatsanwaltschaft, Rainer Bogs, hatte Claassen mit seiner Weihnachtspost an weitere 31 Empfänger Gutscheine für WM-Karten verschickt. Bei ihnen habe es sich jedoch nicht um Amtsträger gehandelt. Es sei auch kein dienstlicher Bezug feststellbar gewesen, sagte Bogs.
Erst vor wenigen Wochen hatte Claassen gegen Vertreter der Karlsruher Staatsanwaltschaft Strafanzeige gestellt. In der Anzeige rügte er "offensichtliche Rechtsbeugung und Verfolgung Unschuldiger". Die Anklageerhebung wird nach Angaben von Bogs durch die Anzeige nicht berührt.
Hintergrund: Vorteilsgewährung und Vorteilsannahme
Nach dem Strafgesetzbuch (Paragraf 333) kann Vorteilsgewährung mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit einer Geldstrafe bestraft werden. Schuldig macht sich, wer einem Amtsträger oder einem für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten "für die Dienstausübung einen Vorteil für diesen oder einen Dritten anbietet, verspricht oder gewährt".
Die Vorteilsannahme ist in Paragraf 331 geregelt. Sie wird mit einer bis zu dreijährigen Strafe oder einer Geldstrafe geahndet. Bestraft wird ein Amtsträger oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter, wenn er für die Dienstausübung einen Vorteil für sich oder einen Dritten fordert, sich versprechen lässt oder annimmt.