Karlsruhe (dpa) - "Aufräumer" und "knallharter Sanierer" waren die Etiketten die Utz Claassen vorauseilten, als er vor einem Jahr (1. Mai) das Ruder beim Karlsruher Energiekonzern EnBW übernahm. Lange wehrte er sich dagegen, doch die Titel holten ihn rasend schnell wieder ein. Ein Jahr Claassen bedeutete für die EnBW ein Jahr Umbruch - und für die Beschäftigten ein Jahr schlechte Nachrichten. Am Donnerstag muss er sich auf seiner ersten Hauptversammlung bewähren. Breite Zustimmung zum harten Kurs scheint dem 40-Jährigen da gewiss.
"Kugelblitz mit Einschlagskraft" wurden Claassen von der "Wirtschaftswoche" genannt. Und in der Tat brauchte der rundliche Manager nicht gerade lange, um Deutschlands drittgrössten Energieversorger komplett umzukrempeln. Der 40-Jährige strich mehr als 2100 Jobs, verpasste den Mitarbeitern im Kernbereich
Energie so etwas wie eine 4,5-Tage-Woche ohne Lohnausgleich und verkaufte eine ganze Reihe von Unternehmensbeteiligungen des bis dato unübersichtlichen Konzerns. Insgesamt hat der Konzern noch rund 24 600 Mitarbeiter, vor zwei Jahren waren es noch 44 500.
Im März präsentierte das Energiebündel ein Rekorddefizit von 1,1 Milliarden Euro (Umsatz 10,6 Mrd Euro) und sieht sich dennoch auf dem genau richtigen Weg: "Der Tisch ist rein", sagte Claassen stolz. Er hat mächtig aufgeräumt, obwohl er noch vor einem Jahr dachte, dass es in Karlsruhe kaum etwas zum Aufräumen geben würde: "Als ich meinen Dienstvertrag unterschrieb, lag als aktuellste Finanzinformation der Halbjahresbericht 2002 vor. Daraus liess sich nicht ansatzweise erahnen, welche Probleme vor dem Management und der Belegschaft liegen würden."
Offen tut er es nie, doch zwischen den Zeilen kann er die Kritik an seinem Vorgänger Gerhard Goll nicht so recht verbergen. "Es ist nicht meine vorrangige Aufgabe, hypothetische Überlegungen zur Vergangenheit anzustellen", sagt er zum Thema Goll. Doch seine anfangs loyalen Äusserungen wurde in den vergangenen zwölf Monaten zunehmend von Begriffen wie "Altlasten" verdrängt. Mit Blick auf die Arbeit seines Vorgängers sprach Claassen zuletzt sogar von "konstruktiver Ergebnisgestaltung".
Geht es nach dem Willen der neuen Konzernführung werden Goll und zwei weitere Ex-Manager auf der Hauptversammlung am Donnerstag (29.4) für das Geschäftsjahr 2003 nicht entlastet werden. Gegen sie läuft ein Verfahren wegen Bilanzverschleierung. Claassen bewertete die EnBW-Beteiligungen um mehr als eine Milliarde Euro niedriger als Goll. Eine Nicht-Entlastung hätte zwar keine juristischen Auswirkungen. Sie bliebe aber als Makel an den Ex-Managern hängen. Und Claassens Ruf als "Aufräumer" würde weiter gestärkt. Getreu der alten Wirtschaftsweisheit: Was ein Sanierer schnell ans Tageslicht bringt, wird nicht ihm, sondern seinem Vorgänger angelastet.
Derweil trimmt Claassen den Konzern auf Börsenkurs. Ein konkretes Datum nennt er zwar nicht mehr, doch: "Wenn wir unsere Hausaufgeben weiter so zügig und konsequent erledigen wie in den vergangenen zwölf Monaten, ergibt sich die entsprechende Kapitalmarktfähigkeit von selbst". Trotzdem soll sein zweites Jahr auch für die Beschäftigten etwas ruhiger verlaufen: "Weitere negative Meldungen für die Beschäftigten darf, soll und wird es nicht geben."