Der Emissionshandel - und die Kosten eines Stahlriesen
Stand: 19.03.2004
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Berlin/Duisburg (dpa) - Am europaweiten Handel mit Kohlendioxid- Zertifikaten werden nach Angaben des Bundesumweltministeriums die Betreiber von etwa 2600 Anlagen beteiligt sein. Der Emissionshandel soll vor allem die energieintensiven Unternehmen - Elektrizitäts- und Kohlewirtschaft, Chemie-, Zement- und Stahlindustrie - zu Investitionen in moderne Werke anregen. Manche Firmen lehnen die von Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) in einem "Allokationsplan" für Brüssel geplante Zuteilung der Zertifikate aber als unzureichend ab. Dazu gehört die ThyssenKrupp Steel AG (siehe unten), die den Verlust zahlreicher Arbeitsplätze fürchtet - der Gesamtbetriebsrat sieht am Standort Duisburg 4000 Jobs in Gefahr.
- AUSSTATTUNG:
Trittin geht bei seiner Planung von der Selbstverpflichtung der Wirtschaft vom Juni 2002 aus, den Kohlendioxid-Ausstoss von 1998 bis 2010 um 45 Millionen Tonnen zu verringern. Derzeit liegt er bei 505 Millionen Tonnen. Nach Verlagerung eines Teils, den der Bereich Verkehr erbringen muss, und unter Berücksichtigung eventueller Mehremissionen künftiger Ersatzkraftwerke für stillzulegende Atomanlagen will Trittin der Industrie folgenden jährlichen Ausstoss genehmigen: 488 Millionen Tonnen im Zeitraum 2005 bis 2007 und 480 Millionen von 2008 bis 2012. Die Zertifikate werden in diesen beiden Zeitabschnitten kostenlos ausgegeben. Wer in moderne Anlagen investiert und zugeteilte Verschmutzungsrechte übrig behält, kann diese an Firmen mit hoher CO2-Produktion verkaufen. Alles, was die Industrie nicht bringt, müsste von den Autofahrern und sonstigen Stromverbrauchern getragen werden. - AUFTEILUNG:
Auf Neuanlagen, die vorhandene ersetzen, sollen die Betreiber die Emissionsrechte der Altanlagen ungekürzt übertragen können. Das wirkt sich in deutlichen Überschüssen zum Beispiel bei Ersatz einer alten Kohleanlage durch ein hocheffizientes Gaskraftwerk aus. Für die Kohlebranche und Unternehmen mit hohen Braunkohleanteilen im Energiemix ist das im Vergleich unbefriedigend, was Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) vor allem im Blick hat. Andererseits sollen Modernisierungs-Vorleistungen wie im Braunkohlebereich des in Ostdeutschland agierenden Stromkonzerns Vattenfall angerechnet werden.
Werden Altanlagen ersatzlos still gelegt, werden die Zertifikate eingezogen. Stilllegungsprämien soll es nicht geben. Für Firmen, die neu auf den Markt gehen und keine Altanlagen ersetzen, sind die Bedingungen härter: Sie müssen sich an der jeweils modernsten Technik messen lassen. Wer jenseits dieser "Benchmark" (Leistungsvergleich) mehr CO2 verpulvert, erhält dafür keine kostenlosen Zertifikate vom Staat. Die eigentlichen Preise der Zertifikate bilden sich am Markt im Laufe der Jahre heraus. - STAHLINDUSTRIE am Beispiel ThyssenKrupp Steel:
Dieses Unternehmen geht davon aus, dass die bei der Erzeugung von Roheisen und -stahl entstehenden CO2-Emissionen bereits auf das machbare Minimum reduziert sind. Um das Umweltziel zu erreichen, müssten die Produktionen eingeschränkt oder Zertifikate zugekauft werden. Auf Basis der Trittin-Vorlage würde der Konzern schon in der ersten Periode mit zweistelligen Millionenbeträgen pro Jahr belastet. Die Mehrlast je Tonne Rohstahl dürfte zwischen 30 und 50 Euro betragen. Diese Kosten wären am Markt mit einer Preiserhöhung von 20 Prozent nicht durchzusetzen. Aber auch Wettbewerbsverzerrungen fürchten die Duisburger, weil der britisch-niederländische Konkurrent Corus ausreichend Zertifikate erhalte.