Goldisthal (dpa/th) - Arbeiter transportieren Wasserleitungen in
der Grösse eines Fussgängertunnels und Absperrventile vom Ausmass eines
Wohnhauses in unterirdische Kavernen. Bei Goldisthal (Kreis
Sonneberg) entsteht eines der grössten Pumpspeicherwerke Europas mit
einer Leistung von 1060 Megawatt. Eine Turbine läuft bereits im
Probebetrieb. Drei weitere folgen bis 2004. "Goldisthal deckt den
Energiebedarf, wenn nach einem Fussballspiel alle gleichzeitig das
Licht anknipsen", beschreibt Projektleiter Wolfgang Bogenrieder vom
Betreiberkonzern Vattenfall Europe die Funktion der rund 500
Millionen Euro teuren Anlage.
In der Turbinenhalle geht es zu wie in einem Elektromotorenwerk.
Zwischen Kabelschlingen und Baumaschinen legen Spezialisten letzte
Hand an meterhohe Generatorenläufer. Die 500 Tonnen schweren Bauteile
können nur an Ort und Stelle zusammengesetzt werden. Wie bei einem
Buddelschiff verläuft dagegen der Einbau der 230 Tonnen schweren
Transformatoren. Mit Kränen und Schwertransportern werden die
Aggregate durch den einen Kilometer langen Zufahrtstunnel bugsiert.
"Das ist Präzisionsarbeit", sagt Bogenrieder. Dass die Anlage unter
der Erde liegt, hat technische Gründe. Damit die Turbinen wieder
Wasser in den oberen Stausee pumpen können, müssen sie tiefer als das
Unterbecken liegen.
Wenn die Ingenieure in der Leitstelle die Sperrventile öffnen,
schiesst in jeder Sekunde der Inhalt von 1000 Badewannen durch die
Turbinen. Das Wasser strömt in 800 Meter langen Tunneln vom
Oberbecken der Stauanlage in die Maschinenkaverne. Dann liefert
Goldisthal rund acht Stunden lang so viel
Energie, wie ein
mittelgrosses Kohle- oder Atomkraftwerk. Über eine eigene Leitung ist
die Anlage direkt mit dem Vattenfall-Hochspannungsnetz verbunden. Das
Unternehmen betreibt neben mehreren
Kohlekraftwerken noch fünf
weitere, wesentlich kleinere Pumpspeicherwerke in Sachsen und
Thüringen.
Wassersportlern bleibt der Zugang zu den neuen künstlichen Seen im
Landkreis Sonneberg aber aus Sicherheitsgründen versperrt. Wenn die
Turbinen auf Hochtouren laufen, sinkt der Wasserspiegel im Oberbecken
stündlich um 2,5 Meter. Maximal 12 Millionen Liter Wasser können aus
dem See herausfliessen. Sie sammeln sich im 2,4 Kilometer langen und
900 Meter breiten Unterbecken. Dieser See hilft auch beim
Hochwasserschutz. Er fängt das Wasser des Flusses Schwarza auf.
Die Geschichte des Goldisthaler Kraftwerks reicht bis in die 60er
Jahre zurück. Im Jahr 1975 begann die Bauvorbereitung, wurde aber
1981 von der DDR aus wirtschaftlichen Gründen wieder auf Eis gelegt.
Nach der Wende übernahm die jetzt zum Vattenfall-Konzern gehörende
Vereinigte Energiewerke AG (VEAG) das Projekt. "Für den Standort
sprachen vor allem günstige geologische Faktoren", begründet
Bogenrieder die Wiederbelebung des Grossprojekts. In Goldisthal ist
das Felsgestein besonders stabil.
Der schwedische Vattenfall-Konzern ist nach eigenen Angaben heute
fünftgrösster europäische Energieproduzent. Das Unternehmen betreibt
Kohle, Wasser und Atomkraftwerke unter anderem in Skandinavien,
Deutschland und Polen.