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CO2-Zertifikate zum Schleuderpreis: Emissionshandel am Abgrund

Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: dpa

Brüssel - Der Handel mit CO2-Zertifikaten sollte einen großen Teil zum Klimaschutz beitragen. Doch inzwischen wird immer deutlicher, dass der EU-Emissionsrechtehandel ein Flop ist. Es besteht dringend Nachbesserungsbedarf.

Im Europaparlament nimmt die Sorge vor einem Kollaps des EU-Emissionsrechtehandels zu, bei dem Unternehmen für den Kohlendioxidausstoß CO2-Zertifikate vorlegen müssen. Sollte die EU-Kommission nicht schnell Maßnahmen ergreifen, drohe das System wegen eines Preisverfalls bei den Zertifikaten für den Klimaschutz nutzlos zu werden, sagte der EU-Parlamentarier Peter Liese (CDU) im Interview des Informationsdienstes dpa Insight EU in Brüssel.

Die EU-Kommission müsse den Preis für die Abgabe dringend erhöhen, indem sie Verschmutzungs-Zertifikate aus dem Markt nimmt und so das Angebot reduziert. Mit den Einnahmen aus CO2-Zertifikaten finanziert Deutschland Energiewende-Maßnahmen - wegen des aktuell niedrigen CO2-Preises aber mit deutlich weniger Geld als geplant. Bis 2016 könnten nur 10 statt der ursprünglich geplanten 14 Milliarden Euro für Energiewende-Projekte wie Gebäudesanierungen zur Verfügung stehen.

Maßnahmen noch vor der Sommerpause

Die EU-Kommission hatte im Juni erklärt, in dem Emissionshandelssystem (ETS) "dringend" Maßnahmen zu ergreifen. Dies müsse noch vor der Sommerpause sein, sagte der Umweltexperte Liese. Doch jetzt gebe es Signale, dass es länger dauere. Ein Kommissionssprecher sagte am Donnerstag auf Anfrage, es gebe noch kein genaues Datum.

"Der Patient ETS bedarf einer dringenden Operation", sagte der Mediziner Liese. "Wenn ich als Arzt eine Diagnose für einen dringenden Eingriff stelle und dann mache ich vier Wochen nichts und fahre anschließend in den Urlaub - dann bin ich kein guter Arzt." Sollten sich die entsprechenden Maßnahmen bis 2013 hinziehen, wäre das ganze System für den Klimaschutz wirkungslos.

Preisverfall wegen Eurokrise

Beim ETS soll die Industrie durch Kosten für Verschmutzungsrechte umweltbewusster werden. Doch der Preis für die CO2-Zertifikate fiel in Krisenzeiten, wegen der schwachen Konjunktur war die Nachfrage gering. Davon profitierten Firmen, die weiter auf hohen CO2-Ausstoß setzten und dafür kaum zur Kasse gebeten wurden.

Derzeit liegt der Preis für eine Tonne CO2-Ausstoß bei etwa 6,50 Euro. Die Bundesregierung hatte ursprünglich mit 17 Euro Abgabe je Tonne CO2 kalkuliert, um Klimaschutz-Maßnahmen zu fördern. Liese warnte davor, dass der Preis für die Zertifikate ohne staatlichen Eingriff in den Markt sogar auf Null sinken könnte.

Mal wieder ein Sieg der Lobbyisten?

Offenbar habe sich die EU-Kommission von der Lobbyarbeit des Arbeitnehmer-Dachverbandes Business Europe beeindrucken lassen, sagte Liese. Der Verband hatte kürzlich einen Brief an alle EU-Kommissare geschickt, in dem er vor schnellen Eingriffen in den Emissionshandel gewarnt hatte. Dazu sagte Liese: "Jetzt machen wir uns Sorgen, ob der Kommission die Lobbyarbeit von Business Europe wichtiger ist als die Versprechen, die sie gegenüber dem EU-Parlament abgegeben hat."

Weil das ETS durch die niedrigen Preise kaum noch Wirkung für den Klimaschutz habe, würde zudem der Ruf nach nationalen Sonderregeln lauter, sagte Liese. In Großbritannien und den Niederland gebe es etwa schon Zusatzsteuern, um die Klimaschutz-Bemühungen der Unternehmen zu steigern. Auch in Deutschland gebe es solche Forderungen. Ein nationaler Sonderweg sei jedoch keine gute Lösung. "Das würde aber eine Verzerrung des Binnenmarktes mit sich bringen", warnte Liese. "Für die deutsche Industrie wäre es sicherlich der "Worst Case", wenn wir in Europa keine Lösung haben, Deutschland aber national draufsattelt."