Claassen trimmt die EnBW auf Sparkurs
Stand: 07.07.2003
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Karlsruhe (dpa) - Der Blick in die Konzern-Kasse muss Utz Claassen, den neuen Chef der Energie Baden-Württemberg AG (EnBW), doch einigermassen geschockt haben. Wurde er bei seinem Amtsantritt Anfang Mai noch sauer, wenn davon gesprochen wurde, dass sein Vorgänger Gerhard Goll ihm eine "Baustelle" hinterlasse, nahm er am Freitag selbst Worte wie "Altlasten" und "Sanierungsfälle" in den Mund.
Balzereit wurde erst vor einem Jahr von Goll zur EnBW geholt. Mit ihm wirft einer das Handtuch, dessen bisherigen Geschäftsbereich Claassen am Freitag als "das derzeit allerwichtigste Thema" bezeichnete. Die EnBW müsse ihr Ergebnis verbessern und Kosten senken. Das bis 2006 ausgelegte "TopFit-Programm" soll den Konzern auch für einen Börsengang fit machen. Nun erweiterte Claassen die Zielvorgaben: Statt ursprünglich 700 Millionen will er die Kosten des Konzerns in den nächsten drei Jahren um eine Milliarde Euro senken. Das Thema Finanzen zog Claassen kurzerhand komplett an sich. "Das kann aber auch keine Dauerlösung sein."
Im Vergleich zur Konkurrenz habe die EnBW die schlechteste Ertrags- und die schlechteste Kostenstruktur. "Verlustbringer" könne sich der Konzern nicht mehr leisten, sagte Claassen und nahm knapp 60 der mehr als 300 Beteiligungsgesellschaften direkt aufs Korn. Bei ihnen werde ein Verkauf geprüft. Sieben Töchter schreiben laut Claassen Verluste im "mehrstelligen Millionenbereich".
Am schärfsten schoss er in Richtung Thermoselect. Dem Entsorger gab Claassen eine Gnadenfrist von sechs Monaten. Wenn es bis dahin nicht gelinge, die Tochter in die Profitabilität zu führen, sei der Ausstieg die einzige Alternative. Eine solche "Zeitachse" hat er auch für die Salamander AG: Nach dem Verkauf der Schuh-Sparte will er auch für die Dienstleistungs-Sparte bis Mitte August eine Lösung finden.
Schon von Anfang an stösst sich Claassen an der immensen Zahl der Beteiligungsgesellschaften. "Ich habe hier im Haus noch niemanden gefunden, der alle kennt." Am Abverkauf der verlustbringenden Töchter aber auch an einer internen Straffung komme der Konzern nicht mehr vorbei. Im Konzerninteresse wolle er nur ertragbringende Töchter halten.
Konsequenz seiner "tabulosen Analyse" nach 64 Tagen im Amt ist auch ein sofortiger Investitions-Stopp - und ein rigider Sparkurs: Reisekosten, Telefonkosten und selbst die Papierkosten der Konzernzentrale müssten auf den Prüfstand. Wohltaten wie Sponsoring könne sich die EnBW nicht mehr leisten. Auch einige der knapp 38 500 Beschäftigten im Konzern müssten sicher gehen. Wie viele, liess er offen. Nicht einmal die Führungsebene darf sich sicher fühlen: "Wir haben ein disproportionales Verhältnis von Häuptlingen und Kriegern."