Bundesländer mit AKW-Standorten wollen Teil der Atomeinnahmen
Stand: 14.09.2010
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Berlin - Die Bundesländer Bayern, Hessen und Baden-Württemberg erwarten bei der Verwendung der Zusatzeinnahmen aus dem Atomkompromiss, dass sie in besonderem Maße unterstützt werden. "Wir erwarten, dass 50 Prozent des Geldes in die Standortländer fließen", sagte Bayerns Umweltminister Markus Söder (CSU) der "Süddeutschen Zeitung" (Dienstagsausgabe). Grüne und SPD bezeichneten die Forderung als "dreist".
Die Bundesländer mit Atomkraftwerken bräuchten das Geld, um die Energiewende zu schaffen, sagte Söder. Außerdem sollten Standortländer insgesamt ein Mitspracherecht bei der Verwendung der zusätzlichen Milliarden bekommen. "Je mehr Kernenergie ein Land hat, desto höher sollte der Anteil an den Mitteln sein." Sein Ministerium erarbeite bereits eine Liste mit Projekten, die künftig vom Bund gefördert werden sollten. Darin geht es unter anderem um neue Speichertechnologien und Elektromobilität. In Bayern stehen die meisten deutschen Atomkraftwerke.
Auch Hessens neue Umweltministerin Lucia Puttrich (CDU) verlangte in der "SZ" Anteile aus dem Atomkompromiss. "Die Länder müssen an den Einnahmen beteiligt werden, weil der Ausbau der erneuerbaren Energien in hohem Maße in den Ländern erfolgt", sagte sie. In den nächsten Tagen würden Gespräche geführt, "um zu sehen, um welche Beträge es gehen kann und wie das ausgestaltet werden kann".
Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin nannte das Ansinnen "an Dreistigkeit kaum zu überbieten". Die Länder profitierten bereits durch Steuermehreinnahmen von den längeren Laufzeiten, erklärte er in Berlin. Zudem bestätigten die Länder mit ihrer Forderung nebenbei, "dass es wegen der massiven Betroffenheit der Länder keine Laufzeitverlängerung am Bundesrat vorbei geben kann". Auch die rheinland-pfälzische Umweltministerin Margit Conrad (SPD) kritisierte die Forderungen aus Bayern, Hessen und Baden-Württemberg als "dreist".
Union und FDP hatten sich darauf verständigt, die Akw-Laufzeiten in Deutschland um durchschnittlich zwölf Jahre zu verlängern. Im Gegenzug sollen die Akw-Betreiber Zahlungen zugunsten des Ausbaus erneuerbarer Energien leisten. Die Regierung will die Änderungen am Bundesrat vorbei verabschieden.
Nach den Worten von SPD-Parlamentsgeschäftsführer Thomas Oppermann erwägen die Sozialdemokraten, auch wegen des zwischen Regierung und Atomindustrie ausgehandelten Vertrags vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Der Schutz der Bevölkerung vor den Gefahren der Atomkraft gehöre zu den "hoheitlichen Aufgaben" des Staates. Dies dürfe nicht durch einen Vertrag mit der Industrie zur Disposition gestellt werden. Auf jeden Fall werde die SPD-Fraktion neben den SPD-geführten Ländern Klage wegen der Nichtbeteiligung des Bundesrates erheben. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin hatte bereits eine Klage seiner Fraktion angekündigt.
Die Linkspartei-Vorsitzende Gesine Lötzsch kritisierte den Vertrag zwischen Regierung und Atomwirtschaft als "Angriff auf die Demokratie". Sie rief zur Beteiligung an der für Samstag geplanten Großdemonstration gegen Atomkraft in Berlin auf. Die bisherigen Anmeldezahlen lägen über denen vom vergangenen Jahr, als in Berlin rund 50.000 Menschen auf die Straße gegangen waren, sagte Torben Becker vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Berlin.