Bund plant Offensive zur Gebäudesanierung - Experten zweifeln
Stand: 29.09.2010
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Berlin - Experten weisen darauf hin, dass in Deutschland immer noch zu viel Heizenergie verloren geht, sei es durch schlecht gedämmte Fenster und Fassaden oder durch veraltete Kessel und Rohrsysteme. Die Bundesregierung will dieser Verschwendung nun Herr werden. Mit dem kürzlich verabschiedeten Energiekonzept peilt sie an, den Verbrauch fürs Heizen und Kühlen in bestehenden Gebäuden bis 2050 um 80 Prozent zu drücken. Kritiker monieren jedoch, dass die angekündigte Modernisierungsoffensive "zahnlos" bleibt. Franz-Georg Rips vom Deutschen Mieterbund erklärt: "Außer unverbindlichen Zielvorgaben ändert sich bei der energetischen Gebäudesanierung nichts, alles bleibt beim alten."
"Potenziale gewaltig"
Die Fakten sind seit Jahren bekannt. Rund 40 Prozent des gesamten Endenergieverbrauchs in Deutschland werden für das Heizen und Kühlen von Gebäuden verwendet. "Gleichzeitig sind die Potenziale zur Energie- und CO2-Einsparung gewaltig", heißt es im Konzept der Regierung. Sie führt an, dass drei Viertel der heute stehenden Häuser vor 1979 errichtet wurden - und damit vor der ersten Wärmeschutzverordnung.
Die Regierung nimmt an, dass die Gebäude schlecht gedämmt und mit veralteter Technik ausgestattet sind. Deshalb dringt sie auf rasche Sanierung. Statt bisher jährlich ein Prozent des Bestands sollen künftig doppelt so viele alte Häuser modernisiert werden. Schon in zehn Jahren soll damit der Wärmebedarf um 20 Prozent runter gehen, bis 2050 dann "in der Größenordnung von 80 Prozent". Allerdings schreibt die Regierung auch: "Das ist nicht zum Nulltarif zu haben." Nötig seien "erhebliche Investitionen".
"Ältere Häuser besser als ihr Ruf"
Genau das hat aber bisher verhindert, dass der "Riese" sich irgendwie sichtbar rührte. Die Energieersparnis in Gebäuden sei weit weniger leicht zu realisieren und weit teurer als oft unterstellt, sagte der Sprecher des Eigentümerverbands Haus und Grund, Alexander Wiech. Er führt eine Studie seines Verbands an, wonach ältere Häuser besser seien als ihr Ruf und die Einsparpotenziale geringer. Einfamilienhäuser aus den Jahren vor 1977 lägen nur um vier bis fünf Prozent über dem Durchschnittsverbrauch aller Bauklassen, Mehrfamilienhäuser sogar nur um zwei bis drei Prozent.
Folglich gehe auch die Rechnung oft nicht auf, dass hohe Investitionskosten sich durch hohe Energieersparnis rasch amortisieren, sagte der Verbandssprecher. Zentrales Hindernis sei darüber hinaus das Mieter-Vermieter-Dilemma: Der Vermieter hat die Investitionskosten, der Mieter die Ersparnis bei den niedrigeren Energiekosten. Unterm Strich fehlt oft der Anreiz zum Investieren.
"Es wird kein Zwang ausgeübt"
Experten sehen im Wesentlichen zwei Auswege: Zwang zur Modernisierung über schärfere rechtliche Vorgaben oder massive finanzielle Förderung als Anreiz. Die Bundesregierung verzichtet aber vorerst auf beides. Ursprüngliche Pläne, auch für schon stehende Häuser bis 2050 einen "Null-Emissions-Standard" vorzuschreiben, wurden aufgegeben. "Es wird kein Zwang ausgeübt", betonte Bauminister Peter Ramsauer (CSU). "Eingriffe ins Eigentum sind vermieden worden, und ich würde das auch nicht zulassen." Den Einsatz des Ministers lobte auch Haus und Grund ausdrücklich.
Alternativ fordert zum Beispiel die Deutsche Energie-Agentur, das bereits mit einigem Erfolg laufende CO2-Gebäudesanierungsprogramm massiv aufzustocken. Tatsächlich stehen mit rund einer Milliarde Euro ab 2011 aber deutlich weniger Mittel zur Verfügung als in der Vergangenheit. So wurden 2006 bereits 1,5 Milliarden Euro öffentlicher Mittel dafür ausgegeben, 2009 rund zwei Milliarden und im laufenden Jahr 1,35 Milliarden Euro.
Der Mieterbund warf der Regierung deshalb vor, ohne Plan zu agieren. "Im jetzt verabschiedeten Energiekonzept gibt es keine ordnungspolitischen Vorgaben, keine Sanktionen, keine höhere öffentliche Förderung als bisher", erklärte Rips. Mit "Freiwilligkeit" der Hausbesitzer bleibe das Konzept jedoch ein "zahnloser Tiger".
Oppositionspolitikerin Renate Künast (Grüne), die nichts Gutes an den Energieplänen der Regierung finden kann, machte noch eine andere Rechnung auf: Nach den Plänen der Bundesregierung werde es noch 100 Jahre dauern, bis der gesamte Gebäudebestand saniert sei.