Brüssel macht EU-Staaten teure Klimaauflagen
Stand: 23.01.2008
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Brüssel/Berlin (AFP) - Mit milliardenschweren Klimaauflagen für die EU-Staaten will Brüssel den Treibhauseffekt bremsen. Die EU-Kommission verabschiedete am Mittwoch ein umstrittenes Klima- und Energiepaket, nach dem etwa Deutschland den Anteil von Öko-Strom in den kommenden zwölf Jahren verdoppeln soll. Erstmals müssen auch Privathaushalte und der Verkehr massiv zum Klimaschutz beitragen. Der EU-Treibhausgasausstoß soll bis 2020 um ein Fünftel gegenüber 1990 sinken. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) nannte die Pläne "ambitioniert und mutig", Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) und die Industrie übten Kritik.
Kommissionspräsident José Manuel Barroso sprach von "historischen" Vorschlägen, mit denen sich die EU beim Klimaschutz weltweit an die Spitze setze. Die Kosten nannte er "kontrollierbar": Sie belaufen sich demnach auf 60 Milliarden Euro pro Jahr oder 0,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes der EU. Pro Bürger entspreche dies drei Euro pro Woche oder "drei Tankfüllungen pro Jahr".
Gabriel nannte die Umsetzung machbar. Nach Berechnungen seines Ministeriums muss Deutschland damit die Treibhausgase um 33 Prozent gegenüber 1990 reduzieren; das liegt unter dem von der Bundesregierung vereinbarten Minderungsziel von 40 Prozent. Berlin erwartet aber laut Gabriel Zugeständnisse Brüssels im Streit um Umweltauflagen für Autobauer.
Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) mahnte eine gerechte Lastenverteilung in der EU an. Deutschland dürfe "nicht die Hauptlasten tragen". Wohlhabende Staaten wie Deutschland, Luxemburg oder Großbritannien werden durch die Klimavorschläge stärker belastet. Länder wie Polen, die Baltenstaaten oder Rumänien können ihren CO2-Ausstoß sogar noch steigern. Die EU-Staaten und das Europaparlament müssen dem Paket noch zustimmen.
Scharfe Kritik kamen aus der deutschen Industrie und von Umweltschützern. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sieht "Kosten in Milliardenhöhe" auf Deutschland zukommen und warnte vor dem Verlust von Arbeitsplätzen. Grund sind die erwarteten Kostensteigerungen für Energie von zehn bis 15 Prozent. Besonders energieintensive Branchen wie die Stahl- oder Chemieindustrie fühlen sich betroffen. Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) forderte die Kommission auf, "nachzubessern".
Die EU-Kommission will bis 2011 überprüfen, ob ihre Klimapläne negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben. "Wir wollen nicht, dass unsere Jobs aus Europa abwandern", versicherte Barroso. Sollte es bis dahin kein internationales Klimaabkommen geben, können betroffene Branchen auf Erleichterungen hoffen.
Die Grünen im Europaparlament forderten, die EU müsse ein klares Signal an zögerliche Staaten wie die USA und China geben und ihre Treibhausgase bis 2020 sogar um 30 Prozent drosseln. Die Kommission will erst nachlegen, wenn es wie geplant bis Ende 2009 ein Nachfolgeabkommen zum Kyoto-Klimaschutzprotokoll gibt. Greenpeace und der Naturschutzbund NABU betonten, nur mit dem 30-Prozent-Ziel lasse sich der Temperaturanstieg auf zwei Grad begrenzen. Auf Druck der Industrie und von EU-Staaten wie Deutschland, Frankreich und Spanien hatte die Kommission die Vorgaben zuletzt abgeschwächt.