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Brüssel knöpft sich deutsche Ökostrom-Rabatte vor

Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: dpa

Brüssel/Berlin - Die schwarz-rote Bundesregierung bekommt gleich zum Amtsantritt wegen der milliardenschweren Industrierabatte bei der Energiewende mächtig Ärger mit Brüssel. Die EU-Kommission stellte am Mittwoch die Nachlässe bei der Förderung erneuerbarer Energien für die Industrie infrage. Damit könnten im schlimmsten Fall auf Unternehmen mit hohem Stromverbrauch existenzgefährdende Rückzahlungen zukommen. Nach Ansicht der Behörde verstoßen die Rabatte wahrscheinlich gegen die Grundprinzipien fairen Wettbewerbs in Europa. Die Behörde hat daher am Mittwoch gegen Deutschland ein Verfahren wegen des Verdachts auf unzulässige Beihilfen eröffnet.

In einer Regierungserklärung im Bundestag warnte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) eindringlich vor zu harten Einschnitten. Das Beihilfeverfahren gefährde Arbeitsplätze. Diesen Punkt werde sie beim EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag in Brüssel deutlich machen. "Deutschland möchte ein starker Industriestandort bleiben - wir brauchen wettbewerbsfähige Unternehmen", sagte Merkel. Solange der Industriestrom in anderen EU-Staaten billiger sei als in Deutschland, könne sie nicht einsehen, dass das Erneuerbare-Energien-Gesetzes eine Wettbewerbsverzerrung darstelle.

Der neue Energieminister Sigmar Gabriel (SPD) geht fest davon aus, dass die Industrie von Rückzahlungen verschont bleibt. "Es wird keine Nachzahlungen geben, nach meiner festen Überzeugung." Er warf der EU-Kommission vor, sich über den Umweg des Wettbewerbsrechts in nationale Energiepolitik einzumischen. Den Gang bis zum Europäischen Gerichtshof schloss Gabriel zwar grundsätzlich nicht aus. Sein Ziel sei es aber, mit der Kommission ins Gespräch zu kommen.

Brüssel beanstandet, dass stromintensive Betriebe weitgehend von der Finanzierung des Ausbaus von Solar-, Wind- und Biomasse-Anlagen befreit sind. Dies könnte ein "selektiver Vorteil" sein. Die Kommission werde prüfen, ob die Teilbefreiungen von der sogenannten EEG-Umlage "gerechtfertigt sind, ob sie verhältnismäßig sind und ob sie den Wettbewerbs möglicherweise in ungebührender Weise verfälschen", schreiben die obersten Wettbewerbshüter Europas.

Es scheine, dass die Rabatte aus staatlichen Mitteln finanziert würden. Dann würde es sich um eine Beihilfe handeln - diese muss von Brüssel genehmigt werden. Allerdings zahlt nicht der Staat die Rabatte, sondern die Stromverbraucher über eine höhere Umlage. Auch Gabriel verwies darauf, dass 23 Milliarden Euro von den Bürgern "gewälzt" würden.

Für kommendes Jahr wird mit einem Rabatt-Volumen von rund fünf Milliarden Euro gerechnet, in diesem Jahr sind knapp 1800 Firmen begünstigt, 2014 werden es noch mehr sein. Die Ökostrom-Rabatte für energieintensive Unternehmen gelten trotz des Verfahrens zunächst unverändert weiter.

EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia verteidigte sein Vorgehen. Es seien viele Beschwerden gegen die Ausnahmen für die deutsche stromintensive Industrie in Brüssel eingegangen. "Diese müssen wir mit der deutschen Regierung erörtern", sagte Almunia. Es gebe "begründete Zweifel" daran, dass die Rabatte mit EU-Recht vereinbar seien. Verbraucherschützer bemängeln, dass die Bürger die ausgeweiteten Rabatte mit höheren Strompreisen bezahlen.

Die Industrie warnte die Kommission vor überzogenen Schritten: "Ein Wegfall der Entlastungen für energieintensive Unternehmen wäre für viele Unternehmen und Tausende Arbeitsplätze das sofortige Aus", sagte der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Ulrich Grillo.

EU-Energiekommissar Günther Oettinger machte deutlich, dass es zwar eine Reform geben müsse, ein generelles Aus müsse aber nicht befürchtet werden. "Es wird nicht dazu kommen, dass alle Ausnahmen komplett gestrichen werden. Wir müssen nur weg vom Gießkannenprinzip." Das Verfahren dürfte etwa ein Jahr dauern. Am Ende könnte Brüssel eine Änderung fordern und gewährte Vorteile bei der EEG-Umlage von der Industrie zurückverlangen. Berlin hat nach dem Eingang des Schreibens nun einen Monat Zeit, um auf die Vorwürfe einzugehen.

Ohnehin war im Koalitionsvertrag wegen des drohenden Ärgers aus Brüssel vereinbart worden, die Rabatte zu überprüfen. Frühere Vorschläge von Union und SPD, etwa Branchen aus dem Kreis der Begünstigten herauszunehmen oder Mindestumlagen zu erhöhen, kamen auf ein Einsparvolumen zwischen 500 und 700 Millionen Euro.