Braunkohle-Protest erreicht neue Dimension
Stand: 18.08.2015
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Erkelenz - Gegen die Braunkohle als schmutzigem Energieträger wird seit Jahren von Umweltschützern protestiert. Vor allem im rheinischen Revier kommt es immer wieder zu Protesten gegen die Tagebaue Garzweiler und Hambach. Der Klimawandel schreitet aber fort. Und die Ungeduld der Braunkohle-Gegner scheint zu wachsen. Eine neue Dimension von Widerstand zeichnet sich ab. "Das Spektrum der Gruppen, die für den Klimawandel mobil machen, ist breiter geworden", sagt der Geschäftsführer des Umweltverbands BUND in Nordrhein-Westfalen, Dirk Jansen. "Die Empörung über die Klimapolitik ist gewachsen - und damit auch der Widerstand", erklärt der Experte.
Was ist diesmal passiert in Garzweiler und Hambach? Am frühen Samstagmorgen machen sich mehr als 1000 Leute von einem "Klimacamp" in Richtung Garzweiler auf. Zu der Aktion hatte das Bündnis "Ende Gelände" aufgerufen, ein Zusammenschluss von Menschen auch aus der Anti-Atom-Bewegung, Bürgerinitiativen, Umweltorganisationen. Rund 800 Demonstranten gehen - das ist riskant - dann runter "ins Loch", einige besetzen einen Riesenbagger.
Mit der angekündigten, spektakulären Aktion bringen die Demonstranten die Maschinerie für einige Stunden zum Stillstand. Wenig später ketten sich Braunkohle-Gegner in der Nacht zu Montag in Manier früherer Anti-Atomtransport-Proteste an Gleisen der Hambacher Kohlebahn fest - und fordern den Betreiber RWE Power damit offen und doppelt heraus.
"Große Verbände wie der BUND rufen zwar nicht zum zivilen Ungehorsam auf, aber Verständnis dafür haben wir schon", erläutert Jansen. Gerade erst sei ein umweltpolitisch sinnvoller Vorstoß von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) - eine Klimaabgabe für alle über 20 Jahre alte Kohlekraftwerke - an der "Kohle-Lobby" und der Intervention von NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) gescheitert. Das erzeuge neuen Frust bei Umweltschützern.
Jansen hat die Aktion hinter der Abbruchkante als Privatperson verfolgt: "Das waren keine gewaltbereiten Chaoten oder vermummte Autonome. Der Versuch, hier zu diffamieren und zu kriminalisieren, wäre unverantwortlich." Er habe überwiegend junge Teilnehmer gesehen, wohl viele "Erstdemonstranten, die sich für den Erhalt der Lebensgrundlagen einsetzen."
Am Schauplatz Kohlebahn blockieren Aktivisten aus dem Umfeld des sogenannten Hambacher Forsts - sie kämpfen seit längerem gegen Rodungen für den Tagebau - die Gleisstrecke über 19 Stunden. Einige der acht Personen hätten sich auch mit Röhren und Beton kompliziert an den Gleisen fixiert, schildert eine Polizeisprecherin. Bilanz beider Aktionen: Mehr als 800 Strafanzeigen auch wegen Haus-und Landesfriedensbruch. Die Polizei spricht von 36 Verletzten in Garzweiler, darunter 15 Beamten, die Veranstalter von über 200 verletzten Aktivisten.
Der Betreiber RWE Power beklagt "erhebliche betriebliche Störungen". Man habe in Garzweiler aus Sicherheitsgründen drei Bagger vorübergehend stillgelegt, betont Guido Steffen. Die Aktion an der Hambach-Bahn nennt er ebenfalls unverantwortlich, es seien Menschen gefährdet worden. In beiden Fällen will das Unternehmen juristisch gegen die Aktivisten vorgehen.
Die Proteste haben die Stimmung jedenfalls aufgeheizt. Die Linken-Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko und Hubertus Zdebel waren als parlamentarische Beobachter dabei und kritisieren eine "unverhältnismäßige Härte" gegen Demonstranten in Garzweiler. Die Dürener Polizei weist den Vorwurf zurück. "Es galt, Gefahr für Leib und Leben abzuwenden. Der Auftrag lautete daher, niemanden durch die Polizeikette zu lassen", betont die Sprecherin. Einige der 1200 Beamten mussten Tränengas und Schlagstöcke einsetzen, sagt sie, denn: Die 800 Aktivisten hätten die Polizeiketten "mit massivem Körpereinsatz jenseits des zivilen Ungehorsams durchbrochen".