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Blackout im Atomstaat Frankreich?

Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: dpa

Paris - In einem beispiellosen Eroberungsfeldzug hat das französische Staatsunternehmen EDF von Amerika über China bis Großbritannien seine Stellung auf dem Energiemarkt ausgebaut. Doch nun droht dem weltweit größten Atomstromanbieter bald ein "blackout" im eigenen Land. Wenn der Winter sehr kalt wird, kann es in Frankreich zu Stromabschaltungen kommen. Der Grund dafür: Es wurde zu wenig investiert und die Stromeinfuhr aus Deutschland ist ausgereizt. Mit dem Wechsel an der Konzernspitze vom "Eroberer" Pierre Gadonneix zum bisherigen Veolia-Chef Henri Proglio soll das Unternehmen am Montag (25. November) die Strategiewende nehmen.

Schon vor seinem Start zündete Proglio, der in der Führung des privaten Versorger- und Verkehrskonzerns Veolia bleibt, eine Bombe. Er fordert kaum verhüllt die Zerschlagung des Atomtechnikkonzerns Areva und Zugriff auf den Reaktorbauer Areva NT. EDF soll bei Areva NT einsteigen, um seine Chancen für AKW-Aufträge etwa vom Persischen Golf zu steigern. Proglio ist Experte: Der Veolia-Boss leitet seit 1994 den EDF-Strategieausschuss. "Ich will eine Atomsparte haben, die funktioniert", sagt er.

Was Proglio auch wissen müsste: Es steht nicht gut um den französischen "Atompark". Von den 58 Reaktoren der 19 Kraftwerke sind Mitte November 18 außer Betrieb. In Paluel, Bugey, Civaux und Nogent-sur-Seine machten Zwischenfälle eine Abschaltung nötig. Überhaupt steigt die Zahl der Zwischenfälle. Andere Reaktoren müssen gewartet oder mit Brennstoff beladen werden.

Prompt fiel die Auslastung der AKW dramatisch auf 78 Prozent. In einem Land, das 76 Prozent seines Stroms aus Kernkraft bezieht, ist das heikel. Immer mehr Franzosen heizen mit dem scheinbar "billigen" Atomstrom. Bei stärkerem Frost könnten ganze "Versorgungs-Halbinseln" wie die Bretagne im Kalten und Dunklen sitzen, warnen Experten. Schon jetzt hat EDF die Einfuhrkapazitäten voll ausgeschöpft. Bis zur Frostperiode sollen aber wieder 90 Prozent der Reaktoren laufen.

Es liegt nicht nur an Gadonneix. Im Frühjahr hatten Streiks die schwierige Bestückung der AKW mit Brennstoff verzögert. Zudem wollte Gadonneix in diesem Jahr sieben Milliarden Euro in Frankreich investieren. Doch alleine der Rückgang der Stromproduktion von 418 auf 390 Terawatt kostet den Konzern 2009 eine Milliarde Euro. Dabei war schon 2008 ein schlechtes Jahr gewesen. 2005 hatte EDF bei 83 Prozent Auslastung noch 430 Terawatt produziert.

Ganz klar: EDF muss seinen "Investitionsrückstand" (Gadonneix) nachholen. Doch das Geld ist knapp. Mit Zukäufen wie British Energy und Constellation (USA) hatte Gadonneix die Verschuldung bis Ende Juli 2009 auf 38,6 Milliarden Euro verdoppelt. Jetzt verkauft EDF Stromleitungsnetze, um fünf Milliarden dieser Schulden loszuwerden.

3,2 Milliarden holte Gadonneix mit einer Anleihe herein. Und die Laufzeit der AKW soll von 40 bis zu 60 Jahre verlängert werden. Gadonneix wollte außerdem die Strompreise um ein Fünftel anheben. Schließlich kostet die Kilowattstunde den Franzosen im Schnitt nur 12 Cent, den Briten 16 und den Deutschen 22 Cent. Doch die Erhöhung war politisch nicht drin: Staatspräsident Nicolas Sarkozy sägte ihn kurzerhand ab.

Jetzt soll es Proglio richten. Auf ihn wartet ein Titanenjob. Denn es geht nicht nur um die alten AKW. Auch beim Zukunftsreaktor EPR, auf den EDF seine Expansion von Kanton in China bis Maryland in den Vereinigten Staaten setzt, drohen Milliardenkosten. Der Bau der ersten EPR kommt nur mühsam voran. Und die Atomaufsicht gleich dreier Staaten - Finnland, Großbritannien und Frankreich - hält das Konzept nicht für sicher genug und fordert eine Trennung der Kontrollsysteme. Kein gutes Umfeld für Proglio, um die Finanzen zu sanieren und die Milliardenschulden abzubauen.