Biblis A wird abgeschaltet - damit es länger laufen kann
Stand: 25.02.2009
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Biblis - Während in Deutschland über eine Renaissance der Kernenergie gestritten wird, fließt aus Hessen vom Freitag (27. Februar) an kein Atomstrom mehr. Das Atomkraftwerk Biblis A, Deutschlands ältester aktiver Meiler, wird abgeschaltet - vorübergehend. Nachdem der 1976 fertiggestellte Block B im Januar turnusgemäß zur Inspektion und Nachrüstung vom Netz genommen wurde, geht auch Block A, Baujahr 1974, für mehrere Monate in Revision. Die Arbeiten können sich bis in den September hinziehen.
Kritiker werfen dem Betreiber RWE vor, die Revisionsarbeiten absichtlich hinauszuzögern und damit auf Zeit zu spielen. Die vereinbarte Reststrommenge werde gestreckt, bis eine - möglicherweise bürgerliche - neue Bundesregierung im Amt ist, die auf Laufzeitverlängerung hoffen lässt. Gewählt wird am 27. September. Die CDU-geführte neue hessische Landesregierung hat zwar über die Laufzeiten nicht zu entscheiden, betont aber, sie wolle einen Energiemix mit Kernenergie.
Unabhängig von politischen Verhältnissen setzt RWE auf derzeit schwebende Gerichtsverfahren: Verwaltungsrichter haben zu entscheiden, ob Strommengen aus anderen Kraftwerken auf Biblis übertragbar sind, was dem südhessischen Standort noch auf Jahre hinaus den Betrieb sichern würde. Kraftwerkschef Hartmut Lauer formulierte kürzlich: "Für Block A werden wir die Fahrweise im Rahmen unserer Kraftwerkseinsatzplanung so optimieren, dass wir den Anlagenbetrieb bis zu den noch ausstehenden gerichtlichen Entscheidungen ... sicherstellen können."
Beide Biblis-Blöcke könnten nach Auskunft von RWE bis 2013 laufen, wenn Strommengen anderer Reaktoren in Biblis produziert würden. Beantragt ist die Übertragung aus dem stillgelegten Meiler Mülheim- Kärlich in Rheinland-Pfalz auf Block B und vom Kraftwerk Emsland auf Block A. Die Anträge wurden zwar von der Bundesregierung abgelehnt, doch RWE zog dagegen vor die Verwaltungsgerichte. Nach Ansicht des Bundesumweltministeriums gehört das Kraftwerk in Biblis wegen seines Alters abgeschaltet. Nach dem 2000 geschlossenen Atomkonsens sollen zuerst die ältesten Anlagen stillgelegt werden.
Über die Übertragung von Strommengen des nur wenige Monate betriebenen Kraftwerks Mülheim-Kärlich entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig voraussichtlich im März, das Verfahren um Mengen aus Emsland ist in erster Instanz vor dem hessischen Verwaltungsgerichtshof Kassel anhängig. Egal, welche Seite gewinnt, wird erwartet, dass auch dieser Streit am Ende in Leipzig entschieden wird. RWE geht davon aus, dass es vor 2010 kein Urteil gibt.
Der Stromerzeuger, der neben Biblis noch die Atomkraftwerke Emsland in Niedersachsen und Gundremmingen in Bayern betreibt, ist optimistisch, dass die Gerichte zu seinen Gunsten entscheiden. "Wir haben eine gute Rechtsposition", sagt RWE-Sprecher Lothar Lambertz. Nach seinen Worten wäre es unklug, alle Stromkontingente zu verbrauchen, bevor es Urteile gibt. In punkto Sicherheit, die von allen politischen Lagern stets ins Feld geführt wird, gebe es keine Defizite. "Wir haben in die Sicherheit von Biblis in den vergangenen Jahren 1,2 Milliarden Euro investiert, es wird laufend angepasst", sagt Lambertz. Allein die aktuelle Revision wird laut RWE für beide Blöcke rund 193 Millionen Euro kosten, ein Gutteil davon gehe in die Verbesserung der Sicherheit.
Kritiker halten das nicht für ausreichend. Das Kraftwerk sei nun mal eine alte Anlage, und auch mit vielen Nachrüstungen lasse sich bei weitem nicht der Stand der Technik herstellen, meint Christian Küppers vom Darmstädter Öko-Institut. Das Unternehmen versuche, mit dem Hinweis auf die Abhängigkeit von Energieimporten die Wirtschaftskrise auszunutzen. Dabei gebe es bereits Energiekonzepte ohne Notwendigkeit von Importen. Vor allem der effizientere Einsatz von Energie sei nötig, um Strom zu sparen. Ohne festes Ausstiegsdatum fehle aber der Zwang dazu, kritisiert Küppers.
Im vergangenen Jahr produzierte Biblis so viel Strom wie noch nie. Mit 20 Milliarden Kilowattstunden hätten die beiden Blöcke das beste Ergebnis ihrer Betriebsgeschichte erzielt, teilte RWE mit. Die Jahresproduktion entspreche rund 50 Prozent des hessischen Stromverbrauchs. Eigentlich sollte Block A schon 2007 stillgelegt werden, wegen fehlerhaft eingebauter Dübel stand der Reaktor jedoch von Herbst 2006 bis Frühjahr 2008 still, so dass sich die Laufzeit bis Herbst 2009 verlängerte. Für das endgültige Ende der Meiler sind die zugeteilten Strommengen maßgeblich.