Berlin (dpa/bb) - In der deutschen Stromwirtschaft wird an diesem
Freitag ein neues Kapitel eingeläutet. Die Aktionäre des Berliner
Energieversorgers Bewag beschließen auf einer Hauptversammlung die
Verschmelzung mit der Vattenfall Europe AG. Das bedeutet nach mehr
als 70 Jahren auch das Ende der Bewag-Aktie. Mit der Eingliederung
des Traditionsunternehmens ist die Bildung des drittgrößten
deutschen Stromkonzerns nach E.ON und RWE praktisch abgeschlossen.
Eine Woche später sollen auch die Vattenfall-Europe-Eigentümer auf
einem außerordentlichen Aktionärstreffen zustimmen.
Dem neuen Verbund gehören neben der 1884 gegründeten Bewag die
Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW) sowie die Veag und Laubag an.
Der Zusammenschluss ist eine der kompliziertesten
Fusionen in der
deutschen Stromwirtschaft. Noch vor einem Jahr standen die Ost-West-
Partner vor schwierigen Konstellationen mit Sperrminoritäten,
entgegengesetzten Interessen der damaligen Eigentümer und
involvierten Bundesländer sowie der drei beteiligten Gewerkschaften.
Vattenfall Europe mit zuletzt 17 500 Beschäftigten kam 2002 auf
einen Umsatz von 7,2 Milliarden Euro. Der operative Gewinn bewegt
sich nach vorläufigen Zahlen bei etwa 500 Millionen Euro. Der
schwedische Staatskonzern Vattenfall mit 32 000 Mitarbeitern rechnet
für 2002 bisher mit einem Umsatz von elf Milliarden Euro.
Der neue Stromverbund beliefert in Deutschland drei Millionen
Haushalte, Regionalversorger sowie Industriekunden. Zur Gruppe
gehören Braunkohletagebaue, mehrere Kraftwerke in den neuen Ländern,
Atomkraftwerke sowie das Übertragungsnetz in Ostdeutschland, Hamburg
und Berlin.
Die Bewag mit 5000 Beschäftigten, einem Umsatz von 2,9 Milliarden
und Gewinn von 148 Millionen Euro ist wesentlicher Teil des neuen
Konzerns. Das operative Geschäft mit der Marke "Bewag" soll auf eine
neue Firma übertragen werden. Die Bewag AG, die über die HEW bereits
zu 89 Prozent Vattenfall gehört, geht in der Holding Vattenfall
Europe AG auf. Vattenfall hat dem Senat zugesichert, bis Ende 2007 in
Berlin 4350 Mitarbeiter zu beschäftigen und betriebsbedingte
Kündigungen auszuschließen. Die Holding soll ihren Sitz bis
mindestens Ende 2010 in Berlin haben und die Bewag bis Ende 2018.
Nach von Wirtschaftsprüfern ermittelten Firmenwerten erhalten die
verbliebenen Bewag-Kleinaktionäre für eine
Aktie 0,5976 Aktien der
Vattenfall Europe AG. Die Bewag wurde mit rund 3,18 Milliarden und
Vattenfall Europe mit 4,48 Milliarden Euro bewertet. Dies entspricht
einem Wert pro Aktie der Vattenfall Europe von etwa 23,82 Euro und
etwa 14,23 Euro der Bewag. Am Mittwoch notierten Vattenfall Europe
bei 22,50 und Bewag bei 13,70 Euro.
Ein "Squeeze Out", mit dem die verbliebenen Kleinaktionäre
herausgedrängt werden, steht laut Vattenfall-Europe-Chef Klaus
Rauscher nicht an. "Wir werden die Bewag zunächst mit Vattenfall
Europe verschmelzen und anschießend sehen, was mit dem Streubesitz
geschehen soll", sagte er der dpa. Den erwarteten
Verschmelzungsbeschluss nannte Rauscher einen bedeutsamen Schritt für
den neuen Konzern.
Es gehe nun darum, die Effizienz des neuen Verbundes zu erhöhen.
Ziel sei, bis 2005 die Kosten um jährlich 550 Millionen Euro zu
reduzieren. Davon seien bisher 200 Millionen Euro erreicht. Die Zahl
der Beschäftigten soll bis 2005 auf 14 500 gesenkt und dabei auf
betriebsbedingte Kündigungen verzichtet werden. Beteiligungen an
Stadtwerken oder Regionalversorgern schloss Rauscher aus. Diese
machten wenig Sinn und seien zu teuer. "Man muss nicht an Stadtwerken
oder Regionalversorgern beteiligt sein, um Strom liefern zu können."
Die Zukunft der Bewag-Billigstromtochter best energy im neuen
Verbund ist offen. Das Unternehmen stehe auf dem Prüfstand, sagte
Rauscher. "Wenn die es schaffen, schwarze Zahlen zu schreiben, haben
sie eine Chance." Die mit der Bewag ebenfalls übernommene Beteiligung
am Berliner Gasversorger Gasag bereite dagegen "viel Freude".