Baden-Württemberg droht mit EnBW-Ausstieg
Stand: 15.06.2012
Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: dpa | AFP
Stuttgart/Karlsruhe - Der Energiekonzern EnBW hat derzeit nicht nur Ärger wegen möglicher Scheingeschäfte mit einem russischen Lobbyisten. Auch eine Razzia wegen Betrugsverdacht sorgt für Schlagzeilen. Nun droht auch noch das Land Baden-Württemberg, seines Zeichens Großaktionär von EnBW, mit dem Ausstieg
Die Nachricht platzte wie eine Bombe in die Aufsichtsratssitzung der EnBW am Donnerstag: Das Land Baden-Württemberg, einer der beiden Großaktionäre, will unter Umständen beim Karlsruher Stromriesen wieder aussteigen. Diese Drohung steht schwarz auf weiß in einer Klage gegen den französischen Staatskonzern EDF, die die grün-rote Landesregierung beim Schiedsgerichtshof der internationalen Handelskammer in Paris eingereicht hat. Dabei wollten Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und sein Vize Nils Schmid (SPD) den einstigen Atomkonzern doch langfristig zu einem grünen Vorzeigeunternehmen umformen.
Energiewende ohne EnBW?
Immer wieder haben die beiden erklärt, die EnBW sei ein wichtiges Vehikel, um die Energiewende im Land voranzutreiben. Doch hinter den Kulissen heißt es schon länger, dass der Regierungschef den Umbau der EnBW als riesengroße Bürde empfinde, an der Grün-Rot scheitern könne. Schließlich ist der vom damaligen Regierungschef Stefan Mappus (CDU) Ende 2010 eingefädelte Deal mit einem Volumen von 4,7 Milliarden Euro nur auf Pump finanziert. Noch dazu braucht der angeschlagene Konzern eine Finanzspritze in Höhe von 800 Millionen Euro, um überhaupt in erneuerbare Energien investieren zu können. Die Hälfte der Kapitalerhöhung muss das klamme Land stemmen.
Schmid bemühte sich am Donnerstag um Schadensbegrenzung. Nein, das Land habe überhaupt nicht die Absicht, aus der EnBW auszusteigen, beteuerte er. Die gegenteilige Behauptung der Opposition sei "Unfug"
- "sonst hätten wir ja schon längst aussteigen können". Er wolle nur Schadenersatz von der EDF. Mappus habe bei seinem "schlechten Aktiendeal" viel zu viel bezahlt für die 45 Prozent der Anteile. Dieses Geld müsse sich Grün-Rot nun zurückholen. "Das sind wir den Steuerzahlern schuldig."
Hat das Land zu viel gezahlt?
Über den geheimen Inhalt der Klage wollte Schmid sich nicht äußern. Er sagte nur, der Kauf verstoße womöglich gegen EU-Beihilferecht, weil das Land der EDF zu viel gezahlt habe. Aus Regierungskreisen hieß es, die Drohung mit dem Ausstieg sei auf Anraten der Juristen in die Klage gekommen und sei nur eine "theoretische Option".
Doch die Hausnummer, die Schmids Anwälte in der Klage für den Schadenersatz aufrufen, hat selbst eigene Gefolgsleute überrascht. Gut zwei Milliarden Euro soll die EDF zurücküberweisen. Wie seine Experten auf diesen Betrag kommen, wollte der Minister nicht sagen. Hinter vorgehaltener Hand heißt es, man müsse wie auf einem Basar mit einer Maximalforderung in die Verhandlung gehen, um nachher einen Bruchteil zu erreichen. Die wahre Zielmarke liege bei etwa 500 Millionen Euro.
EnBW steckt mitten im Umbruch
Die Opposition hält Schmid vor, die EnBW mit der Klage in eine "echte Krise" zu führen: Es könne ja nicht sein, dass die Firma "über Nacht" 40 Prozent ihres Werts verloren habe. Fest steht: Für die EnBW kommt die Klage und die damit verbundene Debatte um den Wert des Unternehmens zur Unzeit. Der zweite Großaktionär, der oberschwäbische Kommunalverband OEW, hält sie für unsinnig.
Die Diskussion erwischt den Konzern mitten in der Umbruchsituation nach dem Atomausstieg im vergangenen Frühjahr. In dessen Folge verlässt der Vorstandsvorsitzende Hand-Peter Villis das Unternehmen Ende September und macht dem Eon-Manager Frank Mastiaux Platz. Er soll das Unternehmen, das im vergangenen Geschäftsjahr ein Minus von 870 Millionen Euro zu schultern hatte, auf den Weg der erneuerbaren Energien führen. Dafür sollen in den kommenden Jahren vier Milliarden Euro investiert werden.
Nicht genug Geld für Verkäufe
Mit dem Einstieg des Landes als Großaktionär sollte eigentlich Ruhe einkehren. Die grün-rote Landesregierung stellte sich nach anfänglichen Differenzen auch hinter den Konzern, der zwei seiner vier Atommeiler abschalten musste. Die neuen Quartalszahlen ließen auch Hoffnung aufkeimen. Der Konzernüberschuss stieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 47,2 Prozent auf 561 Millionen Euro. Allerdings schlagen sich darin auch Verkäufe etwa von Beteiligungen an polnischen Kraftwerken nieder.
Weitere Verkäufe sind angekündigt - doch genau das könnte für das Unternehmen und die Aktionäre zum Problem werden. Denn auf dem Markt sind im Moment nicht die Preise zu erzielen, die in den Büchern stehen. Damit kämen Abschreibungen im Umfang von mehreren hundert Millionen Euro auf die EnBW zu. Auch das sei ein Grund für die Klage, heißt es aus informierten Kreisen in Stuttgart.