Frankfurt/Main (dpa) - Die australische Bank Macquarie will den Energiedienstleister Techem für rund eine Milliarde Euro übernehmen. Den freien Aktionären wurde ein Angebot von 44 Euro je Anteilsschein vorgelegt, das bedeutet einen Aufschlag von fünf Prozent im Vergleich zum letzten Kurs am Freitag, wie die Bank am Montag mitteilte. Sollte das Management die Offerte ablehnen, will Macquarie das Unternehmen notfalls auch feindlich übernehmen. Die Techem-Aktie stieg am Montag auf mehr als 48 Euro und damit über den von Macquarie gebotenen Preis.
Das Techem-Management will das Angebot analysieren und sich in den nächsten Tagen äußern. "Wir prüfen das Übernahmeangebot und werden es dann so schnell wie möglich kommentieren", sagte ein Sprecher. Nach Angaben von Macquarie hatte die Techem-Führung bei Vorgesprächen aber klar gemacht, dass sie die Pläne "tendenziell nicht unterstützt". "Wir wissen, dass das Techem-Management unabhängig bleiben will", sagte Macquarie-Direktor Martin Stanley. Der Techem-Sprecher sagte dazu, ein konkretes Angebot habe die Bank bei den Vorgesprächen nicht vorgelegt.
Techem mit Sitz in Eschborn bei Frankfurt ist Spezialist für das Erfassen von
Heizkosten und erzielte zuletzt einen Jahresumsatz von gut einer halben Milliarde Euro. Der Gewinn vor Zinsen und Steuern lag bei etwas über 100 Millionen Euro. Gemessen an dem Macquarie- Angebot hat das MDAX-Unternehmen einen Wert von 1,1 Milliarden Euro. Die
Aktie von Techem war in den vergangenen Wochen stark gestiegen, Macquarie hat nach eigenen Angaben bereits 17 Prozent der Anteile aufgekauft. Die Allianz-Versicherung gab bekannt, sie habe sich von ihrem 5,8-Prozent-Anteil getrennt, nannte aber nicht den Namen des Käufers.
Macquarie will Techem in einen Infrastrukturfonds aufnehmen, der Gelder vor allem für europäische Pensionsfonds und Institutionen verwaltet. Der
Fonds gehört auch zu einem Konsortium, das von RWE den britischen Versorger Thames Water gekauft hat. Geplant sei ein langfristiges Investment und keine Zerschlagung des Unternehmens. Der Fonds arbeite mit einem Zeithorizont von 30 Jahren. Zudem wolle der neue Investor mit dem bisherigen Management auch in Zukunft zusammenarbeiten. Für die Kunden von Techem werde es keine Veränderungen geben. Macquarie verwaltet weltweit rund 82,8 Milliarden Euro und hat in seinem Portfolio unter anderem Flughäfen, Autobahnen und Energieversorger.
Techem-Chef Horst Enzelmüller hatte sich erst vor zwei Wochen strikt gegen einen Einstieg eines Finanzinvestors ausgesprochen. "Ich will nicht gerade sagen, das geht nur über meine Leiche - aber widerstandslos hinnehmen würde ich das nicht", hatte er der "Börsen- Zeitung" damals gesagt. Es habe in der Vergangenheit bereits Gespräche mit möglichen Investoren gegeben. Man habe aber nichts gesehen, was mittel- und langfristig überzeugend wäre, sagte Enzelmüller bei dem Gespräch vor zwei Wochen.
Stichwort Techem
Das Dienstleistungsunternehmen Techem ist vor allem für seine Heizkostenerfassung bekannt. Für weltweit 7,4 Millionen Haushalte, darunter 5,2 Millionen in Deutschland, ist das Unternehmen tätig. Neben den klassischen Messgeräten an Heizkörpern setzte Techem in den vergangenen Jahren vermehrt auf Funkgeräte, die ohne den Besuch eines Mitarbeiters abgelesen werden können. Heute bietet Techem zudem Energieverträge, die die Lieferung, Steuerung der Anlagen und Abrechnung von tausenden Wohnungen für Immobilienfirmen übernehmen. Auch
Rauchmelder, deren Funktionsfähigkeit per Funk überwacht wird, gehören zum Angebot. Das Unternehmen hat rund 2400 Beschäftigte.
Gegründet wurde Techem 1952, seit dem Jahr 2000 ist die Firma an der Börse und wird im MDAX, dem Aktienindex für mittelgroße Firmen, geführt. Im abgelaufenen Geschäftsjahr 2005/06 (30. September) wurden nach vorläufigen Angaben Umsätze von gut 520 Millionen Euro erzielt, das waren zwölf Prozent mehr als im Vorjahr. Der Gewinn vor
Zinsen und Steuern (EBIT) stieg um rund 25 Prozent auf 105 bis 106 Millionen Euro. Die Aktien des Unternehmens befinden sich mehrheitlich im Streubesitz.