Ausbau der Windenergie auf hoher See gerät ins Stocken
Stand: 27.12.2012
Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: dpa
Hamburg - Bis zum Jahr 2020 sollen Windkraftanlagen mit einer Leistung von 10 000 Megawatt in Nord- und Ostsee Strom erzeugen - so plant es zumindest die Bundesregierung. Dies entspricht mindestens 2000 Windkraftwerken, bei heutiger Leistungskraft. Doch tatsächlich drehen sich nur rund 50 Windräder mit einer Leistung von gut 200 Megawatt in den beiden deutschen Meeren. Es fehlen also noch 9800 Megawatt. Und bis 2020 sind es noch acht Jahre. Rein rechnerisch müsste somit an jedem einzelnen Werktag bis dahin ein Windkraftwerk ins Meer gebaut werden. Das Ziel ist kaum mehr zu schaffen.
Die Regierung spricht inzwischen lieber davon, dass sie 25 000 Megawatt Offshore-Energie bis 2030 erreichen will. "Wir rechnen mit 5000 bis 6000 Megawatt bis 2020", sagt Lars Velser vom Bundesverband Windenergie (BWE) in Berlin. Es wird also vermutlich länger dauern, bis die Offshore-Windenergie ihren eingeplanten Beitrag zur Energiewende leisten kann. "2012 ist für die Energiewende ein verlorenes Jahr", sagt Ronny Meyer von der Windenergie-Agentur WAB in Bremerhaven.
Im nächsten Jahr sieht erst einmal alles gut aus: Mehr als 1000 Megawatt sind im Bau, mehrere Windparks werden im Laufe des Jahres oder spätestens 2014 ihren Betrieb aufnehmen - wenn alles klappt wie geplant. Bei den bislang verwirklichten Projekten kam es immer wieder zu Verzögerungen durch unvorhergesehene technische Schwierigkeiten. Die Nordsee-Windparks werden in großen Wassertiefen und rauer See errichtet; die Baufirmen sammeln bei den Projekten immer wieder neue Erfahrungen. Und zahlen oft noch Lehrgeld.
Die Investitionsentscheidungen für die Windparks, die jetzt gebaut werden, sind schon vor Jahren gefallen. Das Problem: Danach kommt nichts mehr. Die Energiekonzerne RWE, Dong und EnBW haben ihre Projekte in der Nordsee erst einmal vertagt. Sie wagen es nicht, die Investitionsmittel für die Windparks freizugeben. "Wir brauchen gesetzgeberische Klarheit und verlässliche Rahmenbedingungen, bevor wir eine Investitionsentscheidung von deutlich über 1,5 Milliarden Euro treffen", sagt EnBW-Technikvorstand Hans-Josef Zimmer.
Der Flaschenhals ist nach wie vor die unsichere Netzanbindung an das Festland. Der Netzbetreiber Tennet investiert in den kommenden zehn Jahren rund sechs Milliarden Euro in die Netzanbindung der Offshore-Windenergie. Das reicht für gut 5000 Megawatt. Die Aufträge sind erteilt, die Investitionen kommen. Aber es geht nicht schnell genug. Die Betreiber sind zudem verunsichert, weil sie die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht gut genug einschätzen können. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) steht auf dem Prüfstand. Der Gesetzgeber hat bereits geholfen, indem er das Risiko einer verzögerten Netzanbindung weitgehend vom Netzbetreiber auf den Verbraucher verlagert hat. Aber das hat keinen Bestellboom ausgelöst.
An der Küste, wo gerade eine maritime Infrastruktur für den Bau und den Betrieb der Windkraftanlagen entsteht, machen sich Frust und Enttäuschung breit. "Der Auftragsmangel zieht sich durch die gesamte Wertschöpfungskette rückwärts", sagt Meyer. Die Emder Siag Nordseewerke, die Fundamente für Windkraftanlagen herstellen, sind insolvent. Der Verkauf der Sietas-Werft in Hamburg ist geplatzt, weil ein fest eingeplanter Auftrag für ein Errichterschiff dann doch nicht vergeben wurde. Die Häfen, die zum Teil mit öffentlicher Unterstützung massiv in ihre Infrastruktur investieren, bangen um ihre Auslastung. Viele tausend Arbeitsplätze, die in der Branche entstehen sollen, lassen erst einmal auf sich warten.
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