Atomzukunft: Merkel will "Rat der Weisen" einberufen
Stand: 22.03.2011
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Berlin - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will einen "Rat der Weisen" einsetzen. Dieser soll den gesellschaftlichen Dialog über die Atomkraft voranbringen. Das erfuhr die Nachrichtenagentur dpa am Dienstag aus Koalitionskreisen. Demnach sollen dem Gremium hochgeachtete Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kirchen angehören. Darüber hinaus soll eine zweite Kommission die Fragen zu den Sicherheitsüberprüfungen klären.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) traf am Vormittag im Kanzleramt mit den fünf Unions-Ministerpräsidenten aus Ländern mit Atomkraftwerken zusammen, um zum zweiten Mal binnen einer Woche über die Zukunft der Meiler nach der Reaktorkatastrophe in Japan zu beraten. Auch Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) und Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) nahmen teil. Bei dem Treffen sollte es auch um einen schnelleren Ausbau von Ökoenergien und Stromnetzen gehen.
Vor dem Kanzleramt demonstrierten rund 100 Atomkraftgegner mit Trillerpfeifen und skandierten mit Blick auf die acht bereits vorübergehend abgeschalteten Atomkraftwerke: "Abschalten: Jetzt und endgültig". Eine Woche nach dem Beschluss zur vorübergehenden Abschaltung der ältesten Anlagen soll es auch darum gehen, wie die Sicherheitsüberprüfungen in allen 17 deutschen AKW konkret aussehen sollen. Bis Juni will Merkel analysieren lassen, welche Konsequenzen aus der Atomkatastrophe in Fukushima zu ziehen sind. Erst dann wird entschieden, welche Meiler weiter betrieben werden dürfen.
Angesichts der ungewissen Atom-Zukunft will Merkel den Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigen. Unklar ist, ob das im Herbst vorgestellte Energiekonzept dazu neu justiert werden muss. 2010 hatte Energie aus Sonnenlicht, Wind oder Biomasse einen Anteil an der Stromproduktion von knapp 17 Prozent, die Kernenergie von rund 22 Prozent und Kohle von 43 Prozent. Ein besonderes Augenmerk will Merkel auf einen schnelleren Ausbau der Leitungsnetze legen, etwa um künftig den Windstrom von der Küste in den Süden zu transportieren.
Kritiker monieren Nähe vieler Kommissionsmitglieder zur Atomwirtschaft
Für die Atomkraftwerke sollen in der kommenden Woche neue Sicherheitsvorgaben veröffentlicht werden. "Die Reaktorsicherheits-Kommission wird Ende des Monats einen Anforderungskatalog vorlegen", sagte der Kommissionsvorsitzende Rudolf Wieland der "Financial Times Deutschland". Das 16-köpfige Expertengremium überprüft derzeit im Auftrag des Bundesumweltministeriums die Sicherheitsstandards angesichts der Atomkatastrophe in Japan - Umweltschützer kritisieren, dass viele Kommissionsmitglieder der Atomwirtschaft nahe stehen und daher in der Bewertung der AKW nicht unabhängig genug seien.
"Ich glaube, dass es wegen Fukushima in Deutschland zu materiellen Änderungen bei den Sicherheitsanforderungen kommen wird", sagte Wieland. "Insbesondere wird es auch um Verbesserungen des Notfallschutzes gehen."
CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe geht davon aus, dass die meisten der abgeschalteten AKW stillgelegt werden. "Ich bin sicher, dass die Mehrheit der jetzt vom Netz gehenden alten Meiler dauerhaft vom Netz gehen", sagte er in der SWR-Talkshow "2+Leif". Zudem rechnet Gröhe mit "einem beschleunigten Ausstieg aus der Atomenergie".
Die neue Vorsitzende der CSU-Landesgruppe, Gerda Hasselfeldt, warnte jedoch vor voreiligen Festlegungen. "Wir sollten diese drei Monate abwarten und dann erst aufgrund der Ergebnisse der Prüfung und nicht aus politischen Gründen entscheiden, wie es weiter geht", sagte sie der Zeitung "Die Welt" (Dienstag).
dena: Ausstieg bis 2022 ist realistische Zielmarke
Der Geschäftsführer der Deutschen Energie-Agentur (dena), Stephan Kohler, plädiert dafür, den unter Rot-Grün vereinbarten Atomkonsens umzusetzen, der einen Ausstieg bis 2022 vorsah. Das sei eine realistische Zielmarke, sagte er der "Passauer Neuen Presse". "Alles andere würde zu deutlich höheren Strompreisen führen. Das können wir uns als Industrieland nicht erlauben." Voraussetzung für den Atomausstieg sei ein umfangreicher Ausbau der Stromnetze.
Kohler sieht die Gefahr von Stromausfällen, falls neben den jetzt abgeschalteten acht Atomkraftwerken in Deutschland weitere Meiler vom Netz gehen. Wenn - wie geplant - im Mai fünf weitere AKW wegen interner Revisionen abgeschaltet würden, werde die Situation "sehr angespannt" sein. "In Spitzenzeiten besteht die Gefahr regionaler Blackouts."
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