Atomstreit: Merkel kritisiert Atomkonzerne
Stand: 17.08.2010
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Berlin - Im Streit um die Kraftwerks-Laufzeiten hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Drohungen der Stromkonzerne kritisiert. "Wenn Gespräche laufen, ist es nicht hilfreich, wenn irgendwelche Drohgebärden nach außen dringen." Dies sagte Merkels neuer Sprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Dem soll die Drohung der Energiekonzerne vorangegangen sein, die Atommeiler sofort abzuschalten, falls Schwarz-Gelb eine neue Steuer und höhere Sicherheitsanforderungen einführe. Opposition und Umweltschützer sprachen von einer "leeren Drohung".
Grünen-Chef Cem Özdemir sagte: "Wenn die Atom-Lobby die ältesten Schrottmeiler abschalten möchte, ist sie herzlich dazu eingeladen, dies zu tun." Die Stromkonzerne boten unterdessen der Regierung an, die Hälfte der erwarteten Milliarden-Zusatzgewinne aus längeren Laufzeiten an den Staat abzutreten.
Die Bundesregierung betonte, es gebe noch keine Festlegung bei den Laufzeiten. Dies werde zusammen mit dem Energiekonzept entschieden. Seibert sagte, Drohgebärden, Ankündigungen und Säbelrasseln brächten die Gespräche nicht voran: "Das dient nicht."
Brennelementesteuer soll 2011 kommen
Offen ist weiterhin, in welcher Form die neue Brennelementesteuer erhoben werden soll. Die Regierung unterstrich aber, dass das im Sparpaket verabredete Volumen von 2,3 Milliarden Euro ab 2011 in die Kasse kommen müsse.
Der FDP-Umweltexperte Michael Kauch forderte, an der Brennelementesteuer festzuhalten. Auch mit der Steuer lohne sich der Betrieb von Atommeilern: "Das Einzige, was passiert, ist die Senkung der Gewinne aus abgeschriebenen Anlagen." Die Verbraucherzentralen riefen die Koalition auf, hart zu bleiben: "Die Bundesregierung darf sich von den Drohgebärden nicht beeinflussen lassen."
Die Atombetreiber haben laut Branchenkreisen inzwischen der Regierung als Alternative zur Steuer eine Vertragslösung angeboten, wie Zusatzgewinne aus längeren Laufzeiten abgeschöpft werden können.
Konzerne: zu Opfern bereit
RWE-Vorstandschef Jürgen Großmann erklärte, die Konzerne seien zu Opfern bereit: "Wir schlagen vor, dass wir von den zusätzlichen Gewinnen aus einer Laufzeitverlängerung durch die Kernkraftwerke die Hälfte an den Staat abgeben. Was dann damit geschieht, ist Sache des Staates."
Die Vorstandschefs der Stromkonzerne warnten erneut vor den Folgen eines schnellen Ausstiegs aus der Atomenergie. Großmann, Johannes Teyssen (E.ON), Tuomo Hatakka (Vattenfall) und Hans-Peter Villis (EnBW) forderten in einem gemeinsamen Gespräch mit der "Bild"-Zeitung (Montag) deutlich längere Laufzeiten.
Mindestens 15 Jahre Verlängerung?
Die deutschen Meiler seien sicher. In vielen Ländern liefen baugleiche Kernkraftwerke 60 Jahre, in Deutschland aber nur 32. "Wir fordern eine satte zweistellige Zahl zusätzlicher Jahre, mindestens aber 15 Jahre", sagte Teyssen. Hattaka meinte: "Durch die längere Nutzung der Kernenergie steigt die Versorgungssicherheit, und Strom bleibt bezahlbar."
Kritik an möglichem Atomdeal
Die Deutsche Energie-Agentur (Dena) hält die Drohkulisse für überzogen. "Mit der offenen Zurschaustellung ihrer Macht vergiften die Konzerne die Verhandlungsatmosphäre", sagte Dena-Geschäftsführer Stephan Kohler dem "Handelsblatt" (Montag).
Der SPD-Energieexperte Ulrich Kelber kritisierte im Südwestrundfunk, die Regierung wolle mit einem Deal Bundestag, Bundesrat und Wähler entmündigen: "Das ist der dreisteste Versuch der Lobby-Bedienung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland."
Merkel geht auf "Energie-Reise"
Bundeskanzlerin Merkel will bei einer "Energie-Reise" persönliche Eindrücke gewinnen, bevor die Regierung im Herbst ihr Energiekonzept auf den Weg bringt. Dazu besucht sie demnächst unter anderem einen Windanlagenbauer, die Leipziger Strombörse EEX, ein Wasserkraftwerk und das Atomkraftwerk Emsland im niedersächsischen Lingen. Dort wird sie am 26. August von E.ON-Chef Teyssen und RWE-Chef Großmann begleitet.
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