Atompläne sorgen für Eklat im Bundestag
Stand: 27.10.2010
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Berlin - Vor der Entscheidung über eine Atomlaufzeit-Verlängerung ist die Situation im Bundestag eskaliert. Die Union sprach von "skandalösen Vorgängen" im Umweltausschuss. Dieser musste die Änderungen im Atomgesetz absegnen, bevor im Plenum des Bundestags am kommenden Donnerstag die Entscheidung über die Atompläne getroffen wird. "Das erinnert mich an Vorgänge aus Zeiten der außerparlamentarischen Opposition (APO)", erklärte Unions-Fraktionsgeschäftsführer Peter Altmaier am Mittwoch in Berlin. Besonders die Grünen hätten mit diversen Geschäftsordnungsanträgen die Absicht verfolgt, die Debatte über das Energiekonzept zu torpedieren. Statt über die Sache zu reden, gehe es der Opposition nur um Klamauk.
SPD, Grüne und Linke wiesen die Vorwürfe zurück. Die schwarz-gelbe Koalition habe wichtige Fragen nicht beantwortet und wolle das Atomgesetz mit den durchschnittlich zwölf Jahre längeren Laufzeiten durch das Parlament peitschen. Zu der Abstimmung am Donnerstagmorgen haben Umweltgruppen Proteste vor dem Reichstag angekündigt.
SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann sagte: "Die Beschimpfung der Opposition kann nicht darüber hinweg täuschen, dass der Bundestag in diesem Gesetzgebungsverfahren nicht in dem gebotenen Maß beteiligt wurde." Das Atomgesetz sei von Schwarz-Gelb im Schnellverfahren in den Ausschüssen abgenickt worden.
Der Grünen-Politiker Volker Beck sagte, in seiner langen Zeit als Abgeordneter des Bundestags habe er so etwas noch nicht erlebt. Die Grünen wollen daher die Verabschiedung am Donnerstag verhindern. "Selbstverständlich werden wir die Absetzung beantragen", sagte Beck. Die Koalition werde das mit ihrer Mehrheit ablehnen, betonte der CDU- Politiker Altmaier.
Die Opposition habe versucht, eine Entscheidung im Umweltausschuss zu verhindern, damit im Bundestag nicht über die längeren Laufzeiten abgestimmt werden kann. "Das ist nicht nur außerparlamentarisch, sondern es ist auch undemokratisch." Altmaier rechnet mit etwa fünf Abweichlern aus dem Unionslager. Der CSU-Umweltpolitiker Josef Göppel (CSU) hatte eine regelmäßige Überprüfung gefordert, ob längere Laufzeiten bei der steigenden Ökostromproduktion weiter notwendig sind. Er fand aber keine Mehrheit dafür.
Beck sagte, im Ausschuss habe die Koalition die Geschäftsordnung des Bundestags faktisch außer Kraft gesetzt. So seien Fragen der Opposition sowie Änderungs- und Geschäftsordnungsanträge nicht zugelassen worden. Der SPD-Umweltpolitiker Matthias Miersch kritisierte, die Koalition habe nach dem Motto gehandelt: "Augen zu und durch, bloß keine Fakten auf den Tisch."
Der Deutsche Gewerkschaftsbund, die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) und der Naturschutzring kritisierten das geplante Laufzeitplus, das Atomenergie bis mindestens 2035 bedeuten würde. Längere Laufzeiten von Atomkraftwerken würden große Risiken für die Allgemeinheit bergen. "Atomkraft ist keine Brücke, sondern eine Sackgasse", sagte vzbv-Vorstand Gerd Billen.
Der frühere Leiter der Abteilung für Reaktorsicherheit im Umweltministerium, Wolfgang Renneberg, warnte vor Risiken, wenn die Atomkraftwerke angesichts der schwankenden Ökostrom-Einspeisung künftig stärker herauf- und heruntergeregelt werden sollen. "Die dadurch zunehmende Ermüdung von Anlagenteilen ist ein großes Problem", sagte Renneberg der Deutschen Presse-Agentur. "Die Sicherheitsreserven der Anlage nehmen durch diese Belastungen deutlich ab." RWE und EnBW betonten, es gebe keine Sicherheitsbedenken bei einem flexibleren Betrieb der Anlagen.