Atomkritiker warnen vor Konstruktionsmängeln in vier AKWs
Stand: 23.09.2010
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Berlin - Vor einem möglichen Bersten von Reaktordruckbehältern in vier Kernkraftwerken in Folge von "gravierenden Konstruktionsfehlern" hat die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW gewarnt. Aktuellen Berechnungen eines "unabhängigen Instituts für Bruchmechanik" zufolge müssten die Schweißnähte in älteren Siedewasserreaktoren der sogenannten Baureihe 69 teilweise höheren Belastungen standhalten als erlaubt. Dies teilte IPPNW am Donnerstag in Berlin mit. Bei Störfällen sei ein Bruch der Nähte am Reaktordruckbehälter möglich. Dies könnte zum Versagen der Kraftwerkskühlung und einer Kernschmelze führen.
Atommeiler der deutschen Baureihe 69 stehen in Brunsbüttel und Krümmel in Schleswig-Holstein, Isar 1 in Bayern sowie Philippsburg 1 in Baden-Württemberg. Sie gelten bei Atomkritikern aufgrund ihrer Konstruktionsweise vor allem im Bodenbereich des Reaktordruckbehälters seit langem als potenziell anfällig. In den Druckbehältern strömt Wasser um die Brennstäbe und wird durch die Hitze der atomaren Kettenreaktion unter hohem Druck auf fast 300 Grad Celsius erwärmt. Der dabei entstehende Wasserdampf treibt Turbinen zur Stromerzeugung an.
Nach Darstellung der IPPNW haben neue Untersuchungen nun den Verdacht bestätigt, dass die Schweißnähte des Reaktordruckbehälters vor allem im kritischen Bodenbereich höheren Belastungen ausgesetzt seien als eigentlich erlaubt. Die Spannungen erreichten Werte von 325 Newton je Quadratmillimeter, wobei laut Genehmigung lediglich 177 Newton und gemäß TÜV-Vorgaben höchstens bis zu 280 Newton je Quadratmillimeter zulässig seien.
Durch langjährige Beanspruchungen während des Betriebs leide nach Meinung von Experten das Material zusätzlich, erklärte die Ärzte-Organisation. Das bedeute auch, dass "es mit zunehmender Wahrscheinlichkeit zu einem Riss in der Bodenschweißnaht des Reaktordruckgefäßes kommen kann". Die schwarz-gelbe Bundesregierung will die Laufzeiten von Atomkraftwerken um durchschnittlich zwölf Jahre verlängern, indem sie die im Atomausstieg von 2002 vereinbarten Reststrommengen vergrößert, die jedes deutsche Akw noch produzieren darf.
Das Nachrichtenportal "Spiegel Online" zitierte Manfred Zehn, Professor an der Technischen Universität Berlin, der die Belastungen der Druckbehälter am Computer simuliert hatte und ebenfalls Zweifel an der Sicherheit äußerte. "Dieser Reaktordruckbehälter ist eine Konstruktion mit Problemzone", sagte Zehn.
Die Betreiber der Akw beteuerten dagegen laut "Spiegel Online", dass es keine Probleme gebe. Bei wiederholten Prüfungen seien niemals "Befunde" aufgetreten, erklärte ein Sprecher des Stromkonzern E.ON, Betreiber von Isar 1. Auch das Unternehmen Vattenfall, Betreiber der Reaktoren Krümmel und Brunsbüttel, wies den Verdacht zurück. Alle Belastungen würden "mit großen Reserven beherrscht".