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Atomindustrie fordert längere Laufzeiten: "15 Jahre plus X"

Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: dpa

Berlin - E.ON-Manager und Präsident des Atomforums Ralf Güldner ist nicht glücklich über die Pläne für eine Atomsteuer. Er warnt die Bundesregierung vor einer Erdrosselung der Branche und stellt bei zu hohen finanziellen Belastungen infrage, ob sich eine Laufzeitverlängerung für alle Atomkraftwerke überhaupt noch lohnt.

Der Cheflobbyist der Atombranche redet ruhig und sachlich, in der Sache aber macht er unmissverständlich klar, dass sich die Atomindustrie nicht schröpfen lassen will. Und er wagt sich aus der Deckung, wie viele Jahre es mindestens sein sollten, damit sich etwa Nachrüstungen bei Atommeilern lohnen: "15 plus X". Dies würde eine Zukunft der Atomkraft bis mindestens 2040 bedeuten, denn nach dem rot-grünen Ausstiegsbeschluss würde der letzte Meiler 2025 abgeschaltet.

Die Umweltschutzorganisation WWF wirft der Branche vor, bei alten Anlagen die Leistung so zu drosseln, dass die im Jahr 2000 vereinbarte Reststrommenge bis zur Entscheidung der schwarz-gelben Koalition reicht - und dann längere Laufzeiten den Weiterbetrieb ermöglichen. Die Zeit drängt: Biblis B und Neckarwestheim I stehen kurz vor der Abschaltung. Güldner fordert rasch Klarheit.

Auf die Atomkonzerne kommen hohe Kosten zu

Bis zu einer Einigung ist es aber ein schwieriger Weg. Güldner verweist darauf, dass die Kernkraftbetreiber RWE, E.ON, Vattenfall und EnBW bei der geplanten Brennelementesteuer statt der von Schwarz-Gelb veranschlagten 2,3 Milliarden Euro pro Jahr bis zu 2,8 Milliarden Euro netto zu zahlen hätten. "Wenn dann noch weitere Abgaben dazukommen und betriebswirtschaftlich aufwendige Nachrüstungen für eine nur kurze Laufzeitverlängerung gefordert werden, dann muss mit sehr spitzem Bleistift gerechnet werden, ob sich das noch lohnt."

Brennelementesteuer sorgt für Zündstoff

Güldner will keinen Rechtsstreit mit der Bundesregierung provozieren. Aber: "Die Brennelementesteuer kam fast wie ein Blitz aus heiterem Himmel." Schon aus Verpflichtung gegenüber Aktionären seien die Energiekonzerne verpflichtet, alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen.

Der frühere Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte die Zusatzgewinne für eine 10-jährige Laufzeitverlängerung auf 61 Milliarden Euro beziffert. Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) kommt bei acht Jahren auf etwa 56 Milliarden Euro.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) schickte vor dem Sommerurlaub noch eine Botschaft: "Es hat ja keinen Sinn, wirtschaftlich arbeitende Unternehmen mit Rahmenbedingungen zu belasten, bei denen sie zum Schluss kein Geld mehr verdienen können." Klar ist aber, dass die Regierung einen Teil der Zusatzgewinne abschöpfen will.

Die Brennelementesteuer soll vor allem in die Haushaltssanierung fließen. In der Koalition wird auch über eine zusätzliche Abgabe bei längeren Laufzeiten diskutiert, um Öko-Energien zu fördern. Ein Kompromiss könnte sein, dass es nur eine Steuer gibt, die unterschiedliche Sätze nutzen könnte - gibt es längere Laufzeiten, könnte der Satz erhöht werden.

Wirtschaft hofft auf Kompromiss

Die Wirtschaft hofft auf einen Kompromiss und dringt auf ein Paket: Abschöpfen der Zusatzgewinne nur bei längeren Laufzeiten. Greenpeace-Atomexperte Tobias Münchmeyer warnt vor Tauschgeschäften: "Es darf keine Deal-Politik geben."

Während Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) die Atomkraft nur als kurzfristige Brücke hin zu erneuerbaren Energien versteht, hält die Kernenergiebranche den Atomstrom für unverzichtbar. Die Atomkraft trug 2009 knapp 23 Prozent zur Stromerzeugung bei, Braun- und Steinkohle fast 43 Prozent, Öko-Energien rund 16 Prozent. Die Atombranche hält es eher mit Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP), der wie sie mindestens 15 Jahre längere Laufzeiten anstrebt.

Laufzeit der Kraftwerke bleibt Kernfrage

Die Kernfrage bleibt: Wie lange sollen die Meiler länger laufen? Damit die Regierung das Risiko eines Scheiterns im Bundesrat umgehen kann, muss die Laufzeitverlängerung "moderat" sein. Das bezieht sich nach Ansicht von Juristen weniger auf die Jahreszahl, sondern auf die Frage, wie drastisch die Aufgabenveränderung für die Atomaufsicht der Länder wäre. Atomforum-Präsident Güldner fordert Rechtssicherheit, damit ein Ausstieg aus dem Atomausstieg bei einem Regierungswechsel nicht gekippt werden kann. Und er plädiert nicht direkt für neue Meiler. Aber in 15 Jahren könne über neue Technik nachgedacht werden.