Atomgipfel: Energieversorger befürchten Milliardenverluste
Stand: 22.06.2010
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Berlin - Am Mittwoch werden sich die Chefs der vier Energieversorger E.ON, RWE, Vattenfall und EnBW mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Kanzleramt treffen. Offiziell geht es um das geplante Energiekonzept der Bundesregierung, aber von besonderer Bedeutung wird die Frage nach der von der Bundesregierung geplanten Brennelementesteuer sein, welche den Energiekonzernen ein Dorn im Auge ist. Die Vorstandsvorsitzenden der Energiekonzerne wollen die Brennelementesteuer notfalls auch gerichtlich stoppen.
Von einer Laufzeitverlängerung würden die vier großen Stromkonzerne deutlich profitieren. In einer aktuellen Analyse, die der Nachrichtenagentur ddp vorliegt, geht die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) davon aus, dass die Konzerne bei einem Strompreis von 52 Euro pro Megawattstunde im Falle einer Laufzeitverlängerung um zehn Jahre mit Zusatzgewinnen in Höhe von 44 Milliarden Euro rechnen könnten. Bei einer Verlängerung der Laufzeiten um 15 Jahre, wie sie Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) favorisiert, erwartet die LBBW ein Plus in Höhe von 68,6 Milliarden Euro.
Von den erwarteten Milliardengewinnen will auch die Bundesregierung profitieren und hat die Laufzeitverlängerung fest in ihr Sparpaket eingeplant. Mit 2,3 Milliarden Euro jährlich sollen sich die Energiekonzerne daher in Form einer Brennelementesteuer an der Sanierung des Haushalts beteiligen.
Die Gewinne der Stromversorger würden dadurch deutlich schrumpfen. Bei einer Laufzeitverlängerung um zehn Jahre erwartet die Landesbank nur noch ein Plus in Höhe von 8,5 Milliarden Euro, bei einer Laufzeitverlängerung um 15 Jahre könnten die Konzerne mit Zusatzgewinnen in Höhe von 19,8 Milliarden rechnen. Die LBBW geht von einer unbefristeten Einführung der Steuer aus. Das heißt, sie würde faktisch dann auslaufen, wenn das letzte AKW vom Netz geht. Dass die Energieversorger die Kosten auf die Verbraucher überwälzen könnten, hält die LBBW "im Regelfall für unwahrscheinlich".
Die Energieversorger sind empört und schließen selbst eine Klage nicht aus. "Fakt ist, dass wir unsere Interessen wahren werden", hieß es bei E.ON. Die Argumentation der Konzerne: Die geplante Brennelementesteuer verstoße gegen EU-Recht, weil sie die Atomkraft einseitig belaste und auch innerhalb der EU zu Wettbewerbsnachteilen führen werde. Auch im Atomkonsens sei festgelegt worden, dass die Regierung die Atomwirtschaft nicht einseitig belasten dürfe, auch nicht steuerlich. Diese versteht den Atomkonsens allerdings als "politische Verabredung" und damit als rechtlich nicht bindend.
Erwartet wird, dass das Thema Brennelementesteuer beim Treffen im Kanzleramt zur Sprache kommen wird. Das Gespräch findet im kleinen Kreis statt, die zuständigen Minister für Umwelt und Wirtschaft, Norbert Röttgen (CDU) und Brüderle, sind nicht dabei. Die Opposition fürchtet, die Konzernchefs könnten das Treffen nutzen, um Druck auszuüben. Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth warf den Unternehmen "blinde Profitgier" vor, "die sich nicht nur die Politik und die Verfassung, sondern auch die Gesetze der Logik zurechtbiegen will".
Für die Linke forderte die energiepolitische Sprecherin Dorothée Menzner, die Energiekonzerne "unter demokratische Kontrolle" zu stellen.