Atomausstieg verursacht CDU-Streit: Mappus für Röttgen-Rücktritt
Stand: 18.05.2010
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Berlin/Stuttgart - Innerhalb der CDU droht der Streit über längere Atommeiler-Laufzeiten und die Mitwirkung der Länder zu eskalieren. Baden- Württembergs Regierungschef Stefan Mappus empfahl Bundesumweltminister Norbert Röttgen am Montag den Rücktritt und forderte Kanzlerin Angela Merkel (alle CDU) auf, Röttgen gegebenenfalls zu entlassen. "Ich bin nicht mehr bereit, die Eskapaden des Bundesumweltministers zu akzeptieren", sagte Mappus am Montag in Stuttgart. Röttgen konterte lachend mit dem Hinweis auf einen "klaren" Koalitionsvertrag von Union und FDP. Mappus verfolge scheinbar andere energiepolitische Ziele. Mit der Bundeskanzlerin habe er bisher noch nicht telefoniert, sagte Röttgen.
Im aktuellen Streit auch der anderen Parteien geht es um die Frage, ob ein Weiterbetrieb der noch 17 Atomkraftwerke (AKW) nach 2022 die Zustimmungspflicht des Bundesrates erfordert oder nicht. Hintergrund ist, dass die bis zu 28 Jahre längeren Atomlaufzeiten von der schwarz-gelben Koalition im Bund allein leicht durchzusetzen sind, während Union und FDP seit der Landtagswahl in Nordrhein- Westfalen inzwischen im Bundesrat überstimmt werden können.
Mappus und seine Unionsländer-Kollegen in Hessen und Bayern wollen auf die gesetzliche Ländermitwirkung verzichten, Röttgen will sie dagegen "im fairen Umgang mit den Ländern" möglichst erhalten. Er ist in der Frage aber offen - je nach Umfang der nötigen Änderung des Atomgesetzes. Maßgeblich sei, ob es sich wie bei der vom Bund den Ländern aufgetragenen Atomaufsicht um einen "Eingriff" in Verwaltungsakte der Länder und besondere Sicherheitsprüfungen handele. Die hält er bei mehr als acht Jahren Laufzeitverlängerung für erforderlich.
Jedoch hatte Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU) am Wochenende bereits erklärt: "Bei der Verlängerung der Laufzeiten werden wir ein verfassungskonformes, zustimmungsfreies Gesetz haben". Die Frage muss nun bis zur Beschließung des geplanten Energiekonzepts im Herbst juristisch geklärt werden. Etliche Länder haben in der Frage der Bundesrats-Mitwirkung eine abwartende Haltung, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur dpa in den 16 Ländern ergab.
Röttgen sprach von einer gemeinsamen Haltung der Bundesregierung in der Energiepolitik. Sie basiere auf dem Koalitionsvertrag von Union und FDP, sagte Röttgen. "Ich zweifle, ob Herr Mappus da richtig aufgepasst hat, als der abgeschlossen wurde. "Jedenfalls gilt der Koalitionsvertrag. Mein Eindruck ist, dass er (Mappus) mit dem nicht einverstanden ist", sagte Röttgen. Zugleich stellte er den Vorrang des Ausbaus erneuerbarer Energien und den vorübergehenden Charakter der Kernenergie heraus. "Ich glaube, dass Herr Mappus weniger mit mir, sondern mit diesen klaren Festlegungen ein Problem hat." Wegen seiner Pläne einer nur kurzen Laufzeitverlängerung um acht Jahre bis 2030 hatte Röttgen die Wirtschaftspolitiker der Union bereits gegen sich aufgebracht. Sie wollen 28 Jahre längere Laufzeiten bis zur Abschaltung des letzten Reaktors im Jahr 2060.
Mappus machte deutlich, dass er an Merkels Stelle Röttgen bereits aus dem Kabinett geworfen hätte. Zur Frage der Bundesrats- Mitwirkung bei der Gesetzgebung sagte er, es gebe klare Vorgaben aus dem Kanzleramt. Wenn Röttgen hier einfach widerspreche, sei das nicht hinnehmbar. Mappus verlangte von Merkel. "Ich erwarte vom heutigen Tag, dass der Kollege Röttgen zurückgepfiffen wird. (...) Politik ist ein Mannschaftsspiel und wer Individualsport bevorzugt, der muss sich ein anderes Tätigkeitsfeld suchen." Die Umweltministerien von Hessen, Baden-Württemberg und Bayern erklärten gemeinsam, ein zustimmungsfreies verfassungskonformes Gesetz sei möglich. Die Bundesregierung solle ihre Vielstimmigkeit in der Frage aufgeben.
Die Atomaufsicht in Kiel - das Justizministerium von Schleswig- Holstein - ist grundsätzlich der Ansicht, dass der Bundesrat einer Verlängerung der Laufzeiten zustimmen muss. Eine abschließende Beurteilung wollte der Abteilungsleiter Reaktorsicherheit, Wolfgang Cloosters, in der dpa-Umfrage jedoch nicht geben. Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) sagte dagegen klar, dieses Vorhaben dürfe nicht an der Länderkammer vorbei "durchgeboxt" werden. Der Fraktionschef der Grünen-Bundestagsfraktion, Jürgen Trittin, sagte auf dpa-Anfrage: "Für mehr Atommüll und für ein verlängertes Risiko durch veraltete Atomkraftwerke gibt es im Bundesrat keine Mehrheit und in der Bevölkerung schon gar nicht."