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Atomausstieg: Ethikkommission hält erste öffentliche Sitzung ab

Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: dpa | dapd

Berlin - Die von der Regierung eingesetzte Ethikkommission setzt heute ihre Beratungen über einen beschleunigten Atomausstieg fort. Die Sitzung ist öffentlich und wird live übertragen. Klaus Töpfer, der Vorsitzende der Kommission, fragte zum Auftakt: "Wie kann eine Zukunft ohne Kernenergie so schnell wie möglich realisiert werden?" Mit dieser Frage wird sich der "Rat der Weisen" nun befassen.

Zu der zehnstündigen Sitzung sind zahlreiche Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft eingeladen. Auch Vertreter von Stadtwerken, der energieintensiven Industrie, Umweltverbänden und Forscher aus dem Bereich der erneuerbaren Energien sollen gehört werden.

Vor allem soll erörtert werden, wie eine sichere Energieversorgung ohne Atomkraft garantiert werden kann. Energie aus Kernkraftwerken steuert bisher 22 Prozent zur Stromerzeugung bei. Bis zum 28. Mai will der 17-köpfige "Rat der Weisen" einen Abschlussbericht vorlegen. Dieser soll der Regierung bei ihrer für Mitte Juni geplanten Entscheidung helfen, wie viele Atomkraftwerke in Deutschland nach der Katastrophe von Fukushima dauerhaft vom Netz gehen sollen und bis wann der letzte der 17 deutschen Meiler abgeschaltet wird.

Unterschiedliche Meinungen zum Atomausstieg

E.ON-Chef Johannes Teyssen warnte die Bundesregierung vor einem zu schnellen Atomausstieg. "Eine zu kurze Brücke ist eine sinnlose Brücke", sagte Teyssen von der Ethikkommission.

Die Vertreter der Ökostrom-Anbieter verteidigten ihre Pläne. Energie aus Wind, Sonne, Wasserkraft und Biomasse könne bald die Atom-Lücke komplett schließen. Der Mieterbund rief die Regierung auf, die Bürger mit den Kosten der Energiewende nicht alleinzulassen.

Auch Forscher, Umweltschützer und Jugendverbände sollten bis zum Abend bei der live im TV-Sender Phoenix übertragenen Anhörung im "Rat der Weisen" nach ihrer Meinung gefragt werden.

Teyssen unterstrich, nur mit der Brücke Kernenergie könnten der Bau vieler neuer Gas- und Kohlekraftwerke verhindert und die deutschen CO2-Klimaziele erreicht werden. Auch sei bei einem schnellen Ausstieg nichts gewonnen, wenn Atomstrom aus dem Ausland importiert werde. "Diese Vorteile muss man im Auge behalten, bevor man sie leichtfertig beiseite schiebt", sagte der Chef von Deutschlands größtem Stromkonzern.

Der Präsident des Bundesverbands Erneuerbare Energien, Dietmar Schütz, erklärte, bis 2020 würden vor allem Windkraft und Solaranlagen massiv ausgebaut. Laut Schätzungen können die Erneuerbaren bis dahin 47 Prozent des deutschen Strombedarfs decken. Heute sind es 17 Prozent.

Industrie will "Energiewende mit Augenmaß"

Die Industriebranchen, die besonders viel Strom verbrauchen, forderten eine Energiewende mit Augenmaß. Der durch das Atom-Moratorium ausgelöste Anstieg bei den Großhandelspreisen an der Leipziger Strombörse EEX koste die Wirtschaft mindestens 750 Millionen Euro extra pro Jahr.

Der Aufsichtsratschef des Essener Aluminiumkonzerns Trimet, Heinz-Peter Schlüter, sagte in der Anhörung, Atomkraftwerke seien Garanten für eine sichere Stromversorgung der Wirtschaft, weil sie die schwankende Erzeugung der Erneuerbaren ausglichen. "Bei vier Stunden Stromausfall wären alle unsere Produktionsanlagen zerstört."

Dena: 4500 Kilometer Stromleitungen nötig

Nach Angaben der halbstaatlichen Deutschen Energie-Agentur (Dena) fehlen für die Energiewende rund 4500 Kilometer an Stromautobahnen. Problematisch sei der starke Widerstand der Bürger. Die Gegner müssten sich nun fragen lassen, ob sie in Süddeutschland lieber eine Stromtrasse oder einen Windpark in den Voralpen haben wollten, sagte Dena-Chef Stephan Kohler.

Mieterbund: Kosten gerecht verteilen

Die Milliardenkosten beim Gebäude-Energiesparen müssen nach Ansicht des Mieterbundes gerecht aufgeteilt werden. Die Ausgaben für die Sanierung alter Häuser und Wohnungen, um Strom, Gas und Öl zu sparen, sollten Staat, Vermieter und Mieter zu je einem Drittel tragen. "Die Energiewende ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe", sagte der Präsident des Deutschen Mieterbundes, Franz-Georg Rips.

Es gehe ihm nicht darum, die Mieter zu schützen. "Auch daran kann es keinen Zweifel geben, dass die Mieter an den Kosten beteiligt werden. Es muss aber erträglich bleiben." Rips empfahl der Regierung, künftig Vermieter auch zu bestrafen, wenn sie nicht sanierten. "Der Mieter braucht ein Druckmittel." Problematisch sei, dass viele ältere Eigentümer kein Geld in neue Fenster oder Dächer stecken wollten, weil sie keine hohe Lebenserwartung mehr hätten.

Live-Übertragung der Sitzung

Der Fernsehsender Phoenix will die gesamte Sitzung live übertragen. Zudem wird die Veranstaltung im Internet auf www.bundesregierung.de gezeigt.