Atomausstieg: Energiekonzerne fordern Schadensersatz vom Staat
Stand: 13.06.2012
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Frankfurt/Main - Der Ausstieg aus der Atomenergie droht für die Steuerzahler richtig teuer zu werden. Die deutschen Energiekonzerne fordern einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" zufolge rund 15 Milliarden Euro Schadensersatz vom Staat für die schnelle Stilllegung ihrer Kernkraftwerke.
Allein Deutschlands größter Energieversorger E.ON schätzt den Schaden durch die Abschaltung seiner Atomkraftwerke auf rund acht Milliarden Euro, wie ein Unternehmenssprecher dapd bestätigte. Der Konkurrent RWE wollte keine Angaben zur Schadenshöhe machen. Als dritter Kernkraftwerksbetreiber drängt außerdem der schwedische Energiekonzern Vattenfall auf Ausgleichszahlungen.
Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts werde noch in dieser Woche die Verfassungsbeschwerde von E.ON an die Bundesregierung, den Bundestag sowie an 63 weitere Institutionen zur Stellungnahme verschicken, berichtete die Zeitung. Auch die Verfassungsbeschwerde des Energieversorgers RWE solle diesem großen Kreis zugestellt werden.
Die Energiekonzerne sehen durch den vom Bundestag abrupt verordneten Atomausstieg die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes verletzt. E.ON-Chef Johannes Teyssen hatte erst vor wenigen Wochen auf der Hauptversammlung des Energieriesen in Essen betont, dem Konzern gehe es dabei nicht darum, den Atomausstieg rückgängig zu machen, "sondern die wirtschaftlichen Interessen von Unternehmen, Kunden, Mitarbeitern und Aktionären durch Entschädigungsregelungen durchzusetzen".
Rechtsstreit könnte Jahre dauern
Auch der Stromkonzern Vattenfall plane inzwischen eine Verfassungsbeschwerde, hieß es in dem Bericht. Das Unternehmen selbst wollte dies allerdings zunächst nicht bestätigen. Eine Sprecherin erklärte lediglich: "Wir werden dazu in Kürze eine Entscheidung treffen." Die Klagefrist läuft Ende August ab. Bislang war nur bekannt, dass das schwedische Staatsunternehmen die Bundesrepublik vor dem Schiedsgericht der Weltbank verklagen will.
Die Verfassungsbeschwerde ist ohnehin nur der erste Schritt in einem vermutlich langjährigen juristischen Streit um eine Entschädigung für den Atomausstieg. Denn vor dem obersten deutschen Gericht wird nur grundsätzlich darüber verhandelt, ob durch den entschädigungslosen Atomausstieg Grundrechte der Unternehmen verletzt wurden. Die Schadenshöhe spielt hier keine Rolle. Nur wenn das Verfassungsgericht dies bejaht, müssen in einem zweiten Schritt Zivilgerichte über die Schadenshöhe entscheiden.
Umweltschützer äußerten scharfe Kritik an den Entschädigungsforderungen der Energiekonzerne. "Schädlich ist nicht die Stilllegung von Reaktoren, sondern der Betrieb der AKW", sagte der Sprecher der Anti-Atom-Organisation "Ausgestrahlt", Jochen Stay, am Mittwoch in Hamburg. Die angekündigten Schadenersatzklagen der Konzerne seien "an Dreistigkeit nicht zu überbieten".
Bundesregierung sieht Atomklagen gelassen
Die Bundesregierung rechnet nicht mit einem Erfolg milliardenschwerer Schadenersatzklagen der Atomkonzerne. "Die Bundesregierung hat keinerlei Zweifel, dass das Atomgesetz völlig verfassungsgemäß ist", sagte Vize-Regierungssprecher Georg Streiter am Mittwoch in Berlin. "Selbstverständlich bleibt es jedem betroffenen Unternehmen unbenommen, eine gerichtliche Überprüfung anzustreben." Streiter betonte, die Klagen seien bislang lediglich angekündigt worden.