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Atomausstieg bedeutet auch das Ende der deutschen Atomlobby

Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: dpa

Berlin - Die Lobby der Atomwirtschaft gehörte viele Jahre zu den größten und mächtigsten Interessensgruppen Deutschlands. Die Etats waren riesig, die Öffentlichkeitsarbeit entsprechend rege. Nun müssen Atomforum und Co einen würdigen Abschluss ihrer Arbeit finden.

Vor Fukushima wäre das Rekordergebnis sicher besser "verkauft" worden. Nämlich als Beleg für die Sinnhaftigkeit längerer Atomlaufzeiten in Deutschland. Nun belässt es das Deutsche Atomforum bei einer dürren, vier Sätze langen Pressemitteilung: Das bayerische Kernkraftwerk Isar 2 war 2011 mit einer Stromproduktion von 12,306 Milliarden Kilowattstunden der leistungsstärkste Meiler der Welt. Die Atomkraftwerke Emsland, Neckarwestheim II und Philippsburg 2 belegen in der globalen Top Ten zudem die Plätze vier bis sechs.

Die einst mächtige Interessensvertretung der Atomwirtschaft hat seit dem 11. März 2011 nicht mehr viel zu melden. Zwischen Mai und Mitte Dezember wurde gar nichts mehr offiziell mitgeteilt. Für viele Mitgliedsunternehmen werde jetzt der Auslandsfokus immer wichtiger, sagt Präsident Ralf Güldner. "Wir haben schließlich schon seit fast 23 Jahren keinen Neubau mehr in Deutschland gehabt", betont er. "Da suchen - unabhängig vom jetzigen Kernenergieausstieg - viele im Ausland neue Beschäftigungsfelder."

Millionenschwere Werbe- und Imagekampagnen

Als nach Erdbeben und Tsunami eine Wasserstoffexplosion das erste der blau-weißen Reaktorgebäude in Fukushima zerstörte, spürte auch Deutschland die Macht der Bilder. Informationen des Atomforums, dass anders als in Japan bei der AKW-Genehmigung hierzulande die stärksten Erdbeben in 10 000 Jahren und die schwersten Hochwasser in 100 000 Jahren berücksichtigt worden seien, drangen nicht mehr durch.

Dabei hatte es bis zu jenem verhängnisvollen März gut ausgesehen: Der Lobby-Einsatz für einen Weiterbetrieb der "Gelddruckmaschinen" schien sich gelohnt zu haben. In den Jahren vor der Bundestagswahl 2009 waren alle Register gezogen worden. Millionenschwere Werbe- und Imagekampagnen ("Deutschlands ungeliebte Klimaschützer"), geführte Journalistenreisen, Studien und versuchte Einflussnahmen sogar bei Frauenzeitschriften sollten Bürger und Politik von der Atomkraft als "Brückentechnologie" in das Zeitalter der Ökoenergien überzeugen. Den Brücken-Begriff hatten sich PR-Strategen ausgedacht. Schwarz-Gelb benutzte ihn später, um das Laufzeitplus argumentativ zu begründen.

Atomforum nur "Lug und Trug"

Kurz vor der Wahl 2009 trat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bei der 50-Jahr-Feier des Atomforums auf und beglückte die Energiemanager mit der Aussicht auf eine Rücknahme des rot-grünen Ausstiegs. Ihr damaliger Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) wetterte: Atomforum, das sei nur "Lug und Trug". Der Weg zu den 8 bis 14 Jahre längeren Atomlaufzeiten wurde dann weit beschwerlicher als gehofft. Es folgte das Kommunikationsdesaster um den Atomvertrag, Demos mit mehr als 100 000 Teilnehmern in Berlin und ein hart umkämpfter Castor-Transport nach Gorleben. "Und dann kam dieses Fukushima", sagt ein Atommanager.

Hat das Deutsche Atomforum mit der Stilllegung von acht AKW und dem Ausstieg bis 2022 nun seine Daseinsberichtigung verloren? Der Etat ist mangels Kampagnen gesunken, er liege aber immer noch im niedrigen einstelligen Millionenbereich pro Jahr, heißt es. Die Organisation hat in der Berliner Geschäftsstelle - sie liegt direkt neben der Zentrale der Grünen - zwölf Mitarbeiter. Es gebe zwei Abgänge, deren Positionen aus Kostengründen noch nicht wiederbesetzt worden seien. Auch der Generalbevollmächtigte Dieter H. Marx geht von Bord.

Weiterhin öffentliches Interesse bekundet

Bei einem der größten Beitragszahler heißt es diplomatisch: Es gebe weiterhin ein öffentliches Interesse an dieser Technologie, "das natürlich mit entsprechenden Sachinformationen bedient werden will".
Ein Arbeitsschwerpunkt des Atomforums ist nun die sichere Entsorgung und das Bereitstellen eines Endlagers für hoch radioaktive Abfälle.

Güldner macht keinen Hehl daraus, dass er hofft, dass der Salzstock Gorleben trotz des von Bund und Länder geplanten Neustarts bei der Endlagersuche am Ende geeignet sein wird. Denn sonst droht der Atomwirtschaft eine Investitionsruine von 1,6 Milliarden Euro, plus weitere Milliarden-Ausgaben für einen anderen Standort.
Insgesamt gibt es für Rückbau und Entsorgung Rückstellungen von 28 Milliarden Euro.

Kapitel Kernenergie mit Anstand beenden

Güldner untermauert das weiterhin hohe Interesse - zumindest in Fachkreisen - mit Zahlen zur kerntechnischen Jahrestagung vom 22. bis 24. Mai in Stuttgart: "Wir rechnen mit über 1000 Anmeldungen", sagt er. Ausstellungsflächen seien bereits komplett vergeben. "Es wird diverse Fachsitzungen geben, in denen unter anderem internationale Hersteller neue Reaktorkonzepte vorstellen", berichtet Güldner, der Mitglied der Geschäftsführung der E.ON Kernkraft GmbH ist.

Es klingt fast etwas wehmütig, wenn er erzählt, aufwendige Simulationen hätten ergeben, dass die heutigen Reaktormodelle "den Einwirkungen der Naturkatastrophen von Fukushima standgehalten hätten". Rütteln wollen er und sein Atomforum aber nicht mehr an dem deutschen Weg. "Ich sage es etwas prosaisch: Jetzt werden wir das Kapitel Kernenergie in Deutschland mit Anstand beenden."