Areva droht Finnland mit Baustopp
Stand: 01.09.2009
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Paris - Erst Milliardenklagen, nun die ultimative Drohung mit einem Baustopp: Der weltgrößte Atomtechnikkonzern Areva geht im Konflikt um den Bau des ersten Europäischen Druckwasserreaktors (EPR) in Finnland in die Offensive. Dabei geht es nicht nur darum, den jetzt schon auf 2,3 Milliarden Euro bezifferten Verlust mit dem Pilotprojekt nicht noch weiter ausufern zu lassen. Es geht auch um die Marktchance des mit Siemens entwickelten Verkaufsschlagers EPR.
Ursprünglich sollte der Reaktor mit einer Leistung von 1600 Watt an der finnischen Westküste drei Milliarden Euro kosten. Und er sollte schon seit Juli Strom in die Netze der Teollisuuden Voima Oy (TVO) einspeisen. Jetzt wagt Areva nicht einmal mehr, die Endkosten und eine Übergabe 2012 zu bestätigen. Sechs Mal hat Areva seit Anfang 2005 bereits Geld für Verluste mit dem Reaktor zurückgelegt. Im ersten Halbjahr 2009 waren es 550 Millionen Euro. Prompt schmolz der Konzerngewinn von 760 auf 161 Millionen Euro zusammen.
Was läuft falsch beim EPR, den die Franzosen weltweit zu einem Rückgrat der Atomwirtschaft machen wollen? Die Finnen sind schuld, heißt es lapidar bei Areva. TVO benötige zur Bearbeitung von Dokumenten elf statt zwei Monate. Vereinbarungen würden nicht eingehalten. Das mache auch Kosten und Fristen für die ausstehenden Arbeiten unsicher. Am EPR, schwört Areva, liege es nicht.
TVO sieht das anders: Areva und Siemens hätten die Verzögerungen zu verantworten. Die Finnen verlangen deshalb sogar von den Konsortialpartnern 2,4 Milliarden Euro Schadenersatz. Areva und Siemens fordern umgekehrt eine Milliarde Euro von TVO.
Jetzt legt Areva den Finnen die Daumenschrauben an. Wenn TVO nicht die neuen Regeln für Arbeit, Fristen und Kosten akzeptiert, wollen die Franzosen die Arbeiten an "Olkiluoto 3" nächste Woche auf Eis legen. Dann sollte das Gießen der Kuppel beginnen. "Wir wollen das Projekt nicht stoppen", versichert Konzernchefin Anne Lauvergeon. "Wir wollen nur erst mit den Schlussphasen der Arbeit beginnen, wenn TVO den Vorschlägen zugestimmt hat."
Es wäre ein schwerer Schlag auch für Areva. Der Konzern setzt auf den EPR und Olkiluoto ist das Schaufenster für die Kunden weltweit. Lauvergeon hat gerade mit der indischen NPCIL eine Vereinbarung über bis zu sechs Reaktoren geschlossen. Verhandlungen in den USA und England sind weit fortgeschritten. Italien hat Interesse. Und Präsident Nicolas Sarkozy bietet den Reaktor der dritten Generation rund um den Globus als Lösung der Klimaprobleme an.
Doch die Bankenkrise erschwert die Finanzierung der Projekte und Olkiluoto zeigt die Höhe der Risiken. Auch der Bau des zweiten EPR in Frankreich sprengt schon Kosten- und Zeitpläne. In China wurde der auf acht Milliarden Euro veranschlagte Bau von zwei Reaktoren verschoben. Pläne in Südafrika haben sich zerschlagen.
"Die seit Jahren angekündigte Renaissance der Atomenergie ist schon vorbei, bevor sie überhaupt begonnen hat", jubelt die Organisation "Gemeinsam gegen Atomenergie". Olkiluoto zeige: "Atomenergie ist nicht nur gefährlich, sondern auch extrem unwirtschaftlich." Areva und Siemens stünden vor einem Debakel. Die Börse sieht das zwar nicht so dramatisch, aber durchaus schlimm. Die Areva-Aktie verlor Dienstag gut drei Prozent auf 388,6 Euro. Und die Analysten von Natixis Securites nahmen ihr Kursziel für die Areva-Aktie von 466 auf 421 Euro zurück.