Berlin (dpa) - Der koalitionsinterne Streit über den Emissionshandel ist bei einem Spitzengespräch im Kanzleramt zunächst entschärft worden. Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) und Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) hätten sich "auf erste Eckpunkte verständigt", sagte eine Sprecherin Clements nach dem zweistündigen Gespräch. Es sei vereinbart worden, jetzt rasch weitere Gespräche zu führen, um bis Ende März zu einer Einigung zu kommen.
Der Sprecher des Umweltministeriums sagte, es werde kurzfristig ein weiteres Treffen beider Minister geben. Einig sei man sich darüber gewesen, dass die Selbstverpflichtung der Industrie zur Reduzierung der
Treibhausgase Gültigkeit habe. Zu dem Treffen hatte Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier eingeladen.
Während Trittin bei der Zuteilung der Emissionsrechte bereits bis 2007 eine Reduzierung der klimaschädlichen Kohlendioxidemissionen durchsetzen will, fürchten Clement und Vertreter der Industrie Wettbewerbsnachteile für die Wirtschaft. Die Bundesregierung muss bis zum 31. März in Brüssel einen Plan über die Zuteilung der Emissionszertifikate vorlegen.
An dem im Januar 2005 beginnenden europaweiten Handel mit Emissionszertifikaten sollen in Deutschland etwa 2300 Anlagen beteiligt sein. Ziel ist eine Reduzierung der Kohlendioxidemissionen. Wer sauber produziert, kann
Zertifikate verkaufen, wer stärker verschmutzt, muss zukaufen. Die Industrie lehnt den Entwurf des Umweltministeriums ab, der bereits bis 2007 eine Begrenzung der Emissionen auf 488 Millionen Tonnen CO2 und bis 2012 auf 480 Millionen Tonnen vorsieht.
Das Thema Emissionshandel lädt ein zur besonderen Wortwahl: Dicke Luft in der rot-grünen Koalition, gestörtes Klima zwischen Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) und Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne). Ob das Treffen der beiden nachhaltig für besseres Wetter sorgte, blieb ungewiss. Der Zeitdruck wächst. Am 31. März muss die Bundesregierung der
Europäischen Kommission ihren Plan zur Zuteilung der Emissionsrechte
vorlegen.
Es geht um Milliarden Euro, aber natürlich auch um die Balance in der Koalition und um Clements Position im Kabinett. Nach Meinung vieler Beobachter hat er im Konflikt mit Trittin um die
Windenergie den Kürzeren gezogen. "Das will er diesmal gut machen", sagt ein Abgeordneter der Koalition. Bei allem Streit droht aber in Vergessenheit zu geraten, was sachlich auf dem Spiel steht: Deutschland hat sich 1997 im Kyoto-Protokoll zum Klimaschutz verpflichtet, die Treibhausgas-Emissionen bis 2012 gegenüber dem Stand von 1990 um 21 Prozent zu verringern.
Auch wer den Horrorszenarien nicht folgt, die angeblich im US-Verteidigungsministerium zirkulieren - "Sibirische Winter" in Grossbritannien, die Niederlande "unbewohnbar" - will aus den Wetterextremen der Sommer 2002 und 2003 mit Flut und Dürre Konsequenzen ziehen. "Wir müssen die Erwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts auf zwei Grad begrenzen", warnt Trittin.
Mag das Ziel unstrittig sein, der Weg dorthin ist es nicht. Der Umweltminister, aber auch unabhängige Experten werfen der Industrie vor, nicht zu ihrer Zusage zu stehen, den Kohlendioxidausstoss bis 2010 um 45 Millionen Tonnen zu senken. "Wenn es nach der deutschen Industrie geht, werden die Emissionsrechte so reichlich bemessen, dass der Emissionshandel zur Farce wird", schreibt das Hamburgische Weltwirtschafts-Archiv HWWA. "Die Selbstverpflichtung ist das Papier nicht wert, auf dem sie steht."
Ein billiges und vor allem marktwirtschaftliches Instrument zum Klimaschutz sollte der Emissionshandel werden - und Berechnungen lassen kaum Zweifel, dass die technologisch fortgeschrittene deutsche Industrie insgesamt davon auch profitieren wird. In der
Bilanz eines kohleabhängigen Stromversorgers kann das aber anders aussehen. Bis zu 500 Millionen Euro könne die deutsche Industrie einsparen, lockt Trittin, aber die Wirtschaft sieht stattdessen den Standort Deutschland bedroht. Niemand habe mehr für den Klimaschutz getan als die Deutschen, meint der BDI. Und tatsächlich: Fast 19 Prozent der angestrebten 21 Prozent weniger Kohlendioxid sind bereits erreicht.
Schützenhilfe bekommen Energieversorger und andere Industriebereiche jetzt von den Gewerkschaften. Wenn Trittin etwa bei neuen Anlagen die relativ niedrig