Angst vor dem Blackout: Strombranche erwartet Risiko-Winter
Stand: 26.11.2012
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Hannover/Berlin - Zu den größten Risiken der Energiewende zählen Stromausfälle im Winter. Der Grund: In der kalten Jahreszeit sind die Erzeugungskapazitäten aus erneuerbaren Quellen geringer. Es drohen Engpässe. In Hannover, wo es im Sommer 2011 zum Blackout kam, sprachen Experten am vergangenen Freitag über den überregionalen Ernstfall.
Wie gut ist das Land für einen möglichen großen Blackout gerüstet?
Regionale Netzbetreiber wie die ostdeutsche 50Hertz Transmission GmbH wissen um die Gefahren. Dass Millionen Menschen über längere Zeit im Dunkeln sitzen könnten, sei aber eine überzogene Befürchtung, betont Geschäftsführer Boris Schucht: "Dafür gibt es eine relativ geringe Wahrscheinlichkeit." Dies sei jedoch kein Grund zur Entwarnung - denn je mehr Wind- und Solarstrom anstatt der Produktion aus Gas- und Kohlekraftwerken ins Netz komme, desto komplexer werde die Regelung. Der für die Anbindung der Nordsee-Windkraft zuständige Netzbetreiber Tennet hatte erst Mitte der Woche vor einem großen Blackout gewarnt.
Warum können besonders im Winter Versorgungsmängel entstehen?
Der Atomausstieg bis 2022 stellt das Stromnetz vor enorme Probleme. Weil der Ausbau der Leitungen stockt, kann Wind-, Solar- und Biostrom in den künftig nötigen Größenordnungen noch nicht ausreichend in die industriellen Zentren transportiert werden. Unabhängig davon können zu bestimmten Zeiten aber Spitzen- und Niedriglasten auftreten - etwa wenn an windstarken Tagen viel Windstrom eingespeist wird. "Umgekehrt müssen Sie zusätzliche Kraftwerksreserven haben, wenn der Wind gar nicht weht", erklärt Schucht. Und das knappe Sonnenlicht lässt die Solarstrom-Produktion im Winter schrumpfen. Die Folge: "Nicht in allen Regionen können wir die Spannung so halten, wie wir möchten."
Wo gab es zuletzt größere Aussetzer?
Gerade erst in der vorigen Woche traf es München, ein Stromausfall legte hier weite Teile des öffentlichen Lebens lahm. Auch andernorts gab es Aussetzer. So lagen Hannover und Umland im Juli 2011 nach Pannen in einem Kohlekraftwerk und Umspannwerk nachts für zwei Stunden im Dunkeln. Gefährlicher wird es, wenn ganzen Regionen der Strom ausgeht. Dabei können auch Wetterkapriolen eine Rolle spielen - so wie bei den massiven Schäden an Stromleitungen durch den Orkan Kyrill (Anfang 2007) oder den Wintereinbruch im Münsterland (2005).
Welche Folgen hat es, wenn die Lichter ausgehen?
Neben den Einbußen, die ein Produktionsstopp für die Industrie haben kann, ist ein Blackout auch für die Verbraucher extrem unangenehm. Streikende Ampeln machen das Autofahren zum Wagnis, steckengebliebene Fahrstühle stellen die Menschen auf eine harte Geduldsprobe. Wenn es im Winter später hell und früher dunkel wird, ist das fehlende Licht ein besonderes Ärgernis; die Unfallgefahr steigt dann auch in den eigenen vier Wänden. Telefonieren übers Festnetz ist nicht möglich, oft sind zudem auch die Handy-Netze von der Unterbrechung betroffen.
Was tut die Politik, um die Gefahr zu entschärfen?
"Die Blackout-Frage ist nur die Spitze des Eisbergs", sagt der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete Friedbert Pflüger. Er leitet das Europäische Zentrum für Energie- und Ressourcensicherheit am Londoner King's College und drängt die Politik zum Handeln. Das Bundeskabinett beschloss im Oktober ein Abschaltverbot für Reservekraftwerke, die im Fall des Falles das Stromnetz stabilisieren sollen. Stilllegungen sollen von den Unternehmen mindestens ein Jahr im Voraus gemeldet werden. Sollte der Netzausbau nicht vorankommen, drohten aber auch volkswirtschaftliche Schäden. "Ich befürchte einen Blackout im Ausbau der Offshore-Windenergie", sagt deren Stiftungschef Jörg Kuhbier.
Ist das Risiko großer Stromausfälle nur ein deutsches Problem?
Nein - aber hierzulande müssen die Folgen der Umstellung auf erneuerbare Energien bedacht werden. Auch in anderen Ländern haben Blackouts die Menschen heimgesucht. So schnitt der Hurrikan "Sandy" vor wenigen Wochen sechs Millionen Menschen an der US-Ostküste tagelang den Strom ab - in den Vereinigten Staaten sind Stromleitungen oft oberirdisch verlegt und daher anfällig. In Indien waren im Juli Hunderte Millionen Einwohner ohne Elektrizität. Auch in Brasilien und auf Kuba gab es Riesen-Blackouts.