Krackow/Leipzig (dpa) - Im Nordosten Deutschlands an der Grenze zu Polen entsteht das derzeit leistungsstärkste deutsche Biogaskraftwerk. Die 20-Megawatt-Anlage bei Krackow in Mecklenburg- Vorpommern soll erstmals in industriellem Maßstab Mais, Gülle und Getreide verarbeiten. Sie geht ab November etappenweise ans Netz, sagte Balthasar Schramm, Vorstandschef der NAWARO BioEnergie AG (Leipzig) als Investor am Freitag beim Richtfest. Die 78 Millionen Euro teure Anlage sei "weltweit die größte ihrer Art."
Die Rohstoffe liefern Landwirte aus Polen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, aus dem Abfall soll in einem patentierten Verfahren Dünger hergestellt werden. "Das ist ein wichtiger Schritt beim Umbau der Energieversorgung in Deutschland", erläutert der Geschäftsführer des deutschen Fachverbandes
Biogas, Claudius da Costa Gomez.
Doch die Dimension des riesigen Projektes - 40 runde Fermentoren füllen ein ganzes Gewerbegebiet nahe der Autobahn 11 Berlin-Stettin (Szczecin) - lassen auch Gomez abwartend reagieren. Der Fachverband mit Sitz in Bayern ist mit 2400 Mitgliedern bundesweit die größte Interessenvertretung von Herstellern, Betreibern und Nutzern der Biogasanlagen. "Im Verband wird das kontrovers diskutiert", gesteht Gomez. Eigentlich seien Biogasanlagen eher etwas für dezentrale Strukturen, bundesweit gebe es rund 3000 Anlagen mit je 500 Kilowatt - meist dort, wo Gülle und Rohstoffe anfallen.
"NAWARO betritt mit der Anlage in dieser Größenordnung Neuland, wir hoffen, dass das läuft", sagt Gomez. Das Verfahren,
Energie aus Biomasse zu gewinnen, müsse wettbewerbsfähig sein, um fossile Rohstoffe eines Tages zu ersetzen, entgegnet Schramm. In Anlagen wie in Krackow werden Pflanzen zusammen mit Gülle in Fermentern vergoren. Dabei entsteht Biogas, das verbrannt wird. Daraus wird wie in anderen Kraftwerken
Strom und Wärme gewonnen. Der Strom kann seit einer Gesetzesänderung 2004 in das bestehende Netz eingespeist werden. Aus den Abfällen wird Dünger gepresst, dabei wird auch die Wärme genutzt.
"Die Rohstoffe stammen von 50 Landwirten, die Hälfte aus Polen", sagt Vorstandsvize Felix Hess. Der Anlage kommen die großen Agrarstrukturen im Osten und die jetzt gute Verkehrslage mit A 11 und der Ostseeautobahn A 20 entgegen. Aus Vorpommern ist Harald Nitschke, Chef einer großen Agrar GmbH, einer derjenigen, die bereits Maislieferverträge haben. "Wir liefern 5000 Tonnen im Jahr, da bekommen wir mehr raus, als bei Getreide bei den leichten Böden hier", sagt er.
Zu den Kritikern solch industrieller Anlagen zählt BUND-Experte Burkhard Roloff: "Alles Gute, was man übertreibt, verkehrt sich ins Gegenteil." Nach Meinung des Agrarreferenten bei der Umweltorganisation haben mit der Subventionierung des Biostroms durch die frühere grüne Verbraucherschutzministerin Renate Künast Anlagenbauer das Geschäft entdeckt. "Sie verdienen so an der Landwirtschaft, nicht in der Landwirtschaft", kritisiert Roloff.
Solche Anlagen setzten eine industrielle, nicht artgerechte Tierhaltung voraus, um die Gülle zu gewinnen. Der Maisanbau werde sich verdoppeln, das Landschaftsbild verändern. Der Anbau von anlagenkompatiblem Genmais werde forciert. Diese Bedenken teilt Gomez nicht. "Es gibt bereits Versuche mit anderen Energiepflanzen, wie Hirse", erklärt der Biogasexperte. "Wir rechnen eher damit, dass die Fruchtfolgen bereichert werden."
Mit den Preiskonditionen für Mais sind ohnehin nicht alle Landwirte einverstanden, die rings um das künftige Kraftwerk Ackerbau betreiben. "Der Preis, der auf 20 Jahre festgelegt werden soll, stimmt nicht", erklären übereinstimmend Wolfgang Gerhardt und Horst Wendt. Kleinere Marktfruchtbetriebe müssten für den Maisanbau erst wieder investieren, wie in Lager oder neue Maschinen, da bliebe nicht viel übrig.