100.000 Atomgegner bilden Menschenkette in Norddeutschland
Stand: 26.04.2010
Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: AFP
Hamburg - Rund 100.000 Atomkraftgegner bildeten am Samstag eine rund 120 Kilometer lange Menschenkette zwischen den norddeutschen Atomkraftwerken Brunsbüttel und Krümmel. "Noch nie zuvor haben so viele Menschen hierzulande gegen die Atomkraft demonstriert", sagte der Sprecher der Initiative "Ausgestrahlt", Jochen Stay, am Sonntag gegnüber der Nachrichtenagentur AFP. Die Aktion richtete sich gegen das Vorhaben der Bundesregierung, den Atomausstieg zu verschieben.
Über 120 Kilometer entlang der Elbe und quer durch Hamburg bildeten die Teilnehmer der Aktion unter dem Motto "Kettenreaktion - Atomkraft abschalten" eine Menschenkette zwischen den beiden Reaktoren. Die rege Beteiligung zeige, dass die Mehrheit der Bevölkerung gegen die Pläne von Union und FDP sei, die Laufzeiten der Atomkraftwerke zu verlängern, sagte Stay, dessen Organisation an dem Veranstalter-Bündnis beteiligt ist. Wenn die Regierung an ihrem Kurs festhalte, werde der Protest zunehmen.
Den Veranstaltern zufolge nahmen rund 120.000 Demonstranten an der Menschenkette teil. Die Polizei in Schleswig Holstein zählte nach eigenen Angaben ebenfalls "deutlich mehr als 100.000 Teilnehmer". Die Kette zwischen den beiden Atommeilern sei weitgehend geschlossen gewesen. Die Protestaktion verlief demnach durchgehend friedlich. Die Polizei sprach von einer Stimmung wie auf einem "Volksfest".
Gedenken an Reaktorkatastrophe von Tschernobyl
Der offizielle Anlass der Menschenkette war der 24. Jahrestag der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl am Montag. Zwei Tage bevor sich diese Katastrophe jähre, sei der Regierung mit der Aktion signalisiert worden, dass sie ihren "Pro-Atom-Kurs korrigieren" müsse, erklärte der BUND-Atomexperte Thorben Becker, einer der Sprecher der Aktion.
Die Veranstalter zielten mit der Aktion jedoch auch auf Pläne der Bundesregierung, die Laufzeiten von den deutschen Atomkraftwerken zu verlängern. "Die Pannenmeiler Krümmel und Brunsbüttel müssen endgültig stillgelegt werden. Und auch der Betrieb der anderen Atomkraftwerke ist nicht länger zu verantworten", teilte das Veranstalter-Bündnis von Umweltverbänden, Bürgerinitiativen, Gewerkschaften und Parteien mit.
Proteste im gesamten Bundesgebiet
Proteste gegen die Atomkraft fanden zeitgleich zu der Menschenkette in Norddeutschland auch in anderen Bundesländern statt. In Hessen umzingelten laut Veranstaltern rund 20.000 Menschen das Akw Biblis. Zudem gab es Proteste vor dem Atommüll-Lager im nordrhein-westfälischen Ahaus, wo der Bürgerinitiative "Kein Atommüll in Ahaus" zufolge mehr als 5000 Atomkraftgegner auf die Straße gingen.
SPD-Chef Sigmar Gabriel bezeichnete die Menschenkette als "Riesenerfolg". "Wer alte Pannen-Reaktoren länger laufen lassen will, spielt mit der Sicherheit der Menschen", kritisierte der Ex-Umweltminister in einer Erklärung. "Vor allem aber riskiert er das Ende des Job-Wunders bei den erneuerbaren Energien."
Kernenergie als Brückentechnologie
Der Vize-Chef der Linken, Klaus Ernst, warf der Bundesregierung bei seiner Rede in Brokdorf eine "unverantwortliche Politik" vor, da das Problem der Endlagerung ungelöst sei. Durch längere Akw-Laufzeiten mache sich die Koalition "zum Büttel der Stromriesen".
CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe warf der Opposition hingegen vor, Angst vor der Atomkraft zu schüren. "Die Kernenergie ist für uns eine Brückentechnologie. Diese Brücke soll uns ins Zeitalter der regenerativen Energien führen", sagte er der "Neuen Ruhr/Neue Rhein Zeitung" vom Samstag.
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