Neuer Rechtsrahmen 2017 – Weichenstellungen für die Energiewende
Stand: 18.01.2017
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Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat haben neue Gesetze erlassen und Änderungen an bestehenden Gesetzen und Verordnungen im Energierecht vorgenommen. Die Novellen dienen den übergeordneten Zielen der Energiewende und des Klimaschutzes. Diese Änderungen betreffen Wirtschaft und Verbraucher weitestgehend nicht unmittelbar. Am ehesten besteht bei der Einführung intelligenter Messsysteme Handlungsbedarf, obgleich hier die Umsetzungsfristen langfristig angesetzt sind. Klarheit bringt die neue Stromsteuerverordnung in Bezug darauf, wie die räumliche Nähe zu Erzeugungsanlagen definiert ist. Das neue EEG und damit verbunden auch das KWKG betreffen in erste Linie energieintensive Großverbraucher.
Strommarktgesetz: Energy-only-Markt und Kraftwerksreserve
Den übergeordneten Rahmen der Gesetzesänderungen stellt das Strommarktgesetz dar. Es soll die sichere, kosteneffiziente und umweltverträgliche Stromversorgung bei fortschreitender Energiewende sichern. Dazu sieht es zwei Mechanismen vor: Der Strommarkt soll im Sinne eines „Energy-only-Marktes“ funktionieren. Das heißt, dass auch in Knappheitssituationen der Preis ausschließlich am Markt gebildet wird. Gesonderte Vergütungen für die Kapazitätsvorhaltung der Kraftwerksbetreiber schließt ein solches Prinzip aus. Dadurch können die Preise für Ausgleichsenergie in Knappheitssituationen in fünfstellige Höhen je MWh steigen, hat der Think-Tank „Agora Energiewende“ berechnet.
Die Vorhaltung konventioneller Kraftwerksreserven sichert den Markt ab. Diese sogenannte Kapazitätsreserve ist ein Instrument für die Übertragungsnetzbetreiber, das Netz zu stabilisieren, falls es durch den Markt zu keinem Ausgleich von Angebot und Nachfrage kommt.
EEG: Ausschreibungen nur für große Anlagen
Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sieht für 2017 eine Ausschreibungspflicht für Wind- und Solar-Anlagen mit mehr als 750 kW Leistung sowie Biomasseanlagen mit mehr als 150 kW Leistung vor. Für Anlagen unter 100 kW bleibt es weiterhin bei der Einspeisevergütung nach den gesetzlich festgelegten Fördersätzen. Alle Anlagen über 100 kW müssen den produzierten Strom an der Börse direkt vermarkten – hierfür erhalten die Betreiber von Anlagen unterhalb der Ausschreibungsgrenze weiterhin die Marktprämie, die die Differenz zwischen dem erzielten Handelspreis und der gesetzlichen Vergütung ausgleicht. Das EEG 2017 sieht Beratungs- und Unterstützungsangebote für kleinere Akteure vor. Anlagen, die vor Inkrafttreten des EEG 2017 in Betrieb gegangen sind, genießen grundsätzlich Bestandsschutz.
Anlagenbetreiber können ihre Anlagen, sofern sie nicht unter die Ausschreibungspflicht fallen, zur Eigenversorgung nutzen. Ab 2017 zahlen Eigenversorger 40 Prozent der EEG-Umlage auf den selbst verbrauchten Strom. Der eigenverbrauchte Strom aus kleinen Anlagen mit bis zu 10 kW Leistung fällt unter die Bagatellgrenze und ist für bis zu 10 MWh im Jahr von der EEG-Umlage befreit.
KWKG: Einheitliche Umlage und Ausschreibungen
Die Bundesregierung hat das „Gesetz für die Erhaltung, die Modernisierung und den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung“ (KWKG) überarbeitet. Die Änderungen waren notwendig, um die beihilferechtlichen Anforderungen der EU-Kommission zu erfüllen. Die Novelle stellt mit zwei Kern-Änderungen sowohl die Förderung als auch die Entlastung von den KWK-Kosten neu auf. Auf Betreiber von Kleinanlagen (<1 MW Leistung) kommen keine Änderungen zu. Betreiber neuer oder modernisierter KWK-Anlagen mit mehr als 1 MW und bis einschließlich 50 MW erhalten den KWK-Zuschlag nur noch über Ausschreibungen. In diesen gewinnt der Bieter mit dem niedrigsten Gebot, da er die geringste Förderung in Anspruch nimmt. Für KWK-Anlagen mit einer elektrischen Leistung zwischen 1 und 50 MW ist der Eigenverbrauch generell nicht mehr förderfähig.
Neuerungen für Großverbraucher gibt es auch bei der KWK-Novelle
Für Stromverbraucher mit weniger als 1 GWh Abnahme verringert sich im Jahr 2017 die KWK-Umlage um 0,025 Cent/kWh gegenüber der Berechnungen nach dem KWKG 2016. Nahezu alle Verbraucher zahlen 2017 eine einheitliche KWK-Umlage in Höhe von 0,438 Cent/kWh, unabhängig davon, wie hoch der Stromverbrauch ist. Ausnahmen gelten 2017 für Unternehmen, die nach dem alten KWK eine niedrigere Umlage zahlen mussten, für sie sieht das Gesetz eine Übergangsregelung mit gedeckelten KWK-Umlagewerten vor:
Verbrauch* |
maximale KWK-Umlage |
|
2017 |
2018 |
|
< 1 GWh |
0,438 Cent/kWh |
n.n. |
> 1 GWh |
0,08 Cent/kWh |
0,16 Cent/kWh |
>1 GWh stromkostenintensiv |
0,06 Cent/kWh |
0,12 Cent/kWh |
Nach Ablauf der Übergangsregelung Anfang 2019 gelten Ausnahmen nur noch für stromintensive Unternehmen mit mehr als 1 GWh Jahresverbrauch. Das KWKG übernimmt für sie die Regelungen der besonderen Ausgleichsregelung im EEG. Dazu müssen die Unternehmen analog zur besonderen Ausgleichsregelung des EEG ihre Stromkostenintensität von mindestens 16 Prozent nachweisen, einen Begrenzungsbescheid vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle sowie Energieeffizienzsysteme haben. Auch muss das Unternehmen einer Branche der Listen des EEG angehören.
Stromsteuer – Doppelförderungsverbot und Rückzahlungen
Die Änderungen in der Stromsteuer-Durchführungsverordnung sowie im EEG, KWKG und im Strommarktgesetz sehen ein Doppelförderungsverbot vor. Konkret bedeutet das, dass für geförderte Strommengen keine Stromsteuerermäßigungen gewährt werden dürfen. Bei EEG-Anlagen reduziert sich die EEG-Vergütung um die Höhe der Stromsteuerbefreiung. Offen ist noch, ob und wie sich diese Regelungen auf Vergünstigungen für Stromabnehmer auswirken. Da die Gesetzesänderungen rückwirkend zum 1. Januar 2016 in Kraft treten, könnten an dieser Stelle Rückzahlungen der Vergünstigungen auf Verbraucher zukommen.
Die Stromsteuer-Durchführungsverordnung definiert zudem erstmals den Begriff des „räumlichen Zusammenhangs“. Dieser ist für die Steuerbefreiung für Strom aus Anlagen von bis zu 2 MW elektrischer Brutto-Nennleistung eine wichtige Voraussetzung. Wird Strom aus einer Erzeugungsanlage in „räumlicher Nähe“ selbst verbraucht oder an Letztverbraucher geliefert, besteht die Möglichkeit der Stromsteuerbefreiung. Mit der Verordnung gilt das für Stromentnahmestellen in einem Radius von bis zu 4,5 Kilometern um die jeweilige Erzeugungsanlage. Damit schafft die Verordnung Rechtssicherheit in einer Frage, die in der Vergangenheit oftmals zu Rechtsstreitigkeiten geführt hatte.
Die Verordnung klärt auch, dass Unternehmen nicht mehr zwingend Versorger im Sinne des Stromsteuergesetzes sind, wenn sie anderen Unternehmen Strom für Leistungen in ihrem eigenen Unternehmen liefern. Das gilt auch für Betreiber von Ladesäulen.
Digitalisierungsgesetz: Fristen für den Smart Meter Rollout
Im Jahr 2017 beginnen die Fristen für die Ausstattung der Zählpunkte mit intelligenten Messsystemen. Für Verbraucher mit weniger als 6.000 kWh/a bleibt der Einbau optional.
Die Umsetzungsfristen liegen auf der Verbrauchsseite bei acht (10.000 - 100.000 KWh/a) und 16 Jahren (>100.000 kWh/a). Die deutlich längere Frist für Verbraucher mit mehr als 100.000 kWh Abnahmemenge begründet der Gesetzgeber mit der bereits vorliegenden registrierenden Lastgangmessung (RLM). Diese beinhalte bereits Schnittstellen bzw. Kommunikationsmöglichkeiten, mit denen sich Verbräuche und Bilanzkreistreue darstellen sowie variable Tarife nutzen lassen. Das Gesetz sieht neben den Fristen auch nach Verbrauch gestaffelte Maximalentgelte der Messstellenbetreiber vor:
Jahresverbrauch (kWh) |
Start der Einbaufrist |
Einbaufrist (Jahre) |
Entgelte im Jahr |
>100.000 |
2017 |
16 |
„angemessenes Entgelt“ |
50.000 - 100.000 |
2017 |
8 |
200 Euro |
20.000 - 50-000 |
2017 |
8 |
170 Euro |
10.000 - 20.000 |
2017 |
8 |
130 Euro |
6.000 - 10.000 |
2020 |
8 |
100 Euro |
Stromerzeuger müssen ab einer Erzeugungsleistung von sieben kW innerhalb von acht Jahren ein intelligentes Messsystem installieren. Für Anlagen mit einer kleineren oder gleichen Leistung von sieben kW sind die Messsysteme optional – also nicht verpflichtend.
Gebäudeenergiegesetz: Kein Entwurf vor der Bundestagswahl 2017
Das Gebäudeenergiegesetz soll die Energieeinsparverordnung (EnEV) bzw. das Energieeinspargesetz (EnEG) und das Erneuerbare-Energien-Wärme-Gesetz (EEWärmeG) vereinen. Es ist auf die nächste Legislaturperiode verschoben worden. Es soll die EU-Gebäuderichtlinie umsetzen, die fordert, dass alle neuen Gebäude ab dem ersten Januar 2021 dem Niedrigstenergiestandard entsprechen (öffentliche Gebäude ab Dezember 2018).
Die nächsten Ziele im Blick
Das übergeordnete Ziel der neuen Gesetze besteht darin, die Energiewende einerseits zu unterstützen. Andererseits hat der Gesetzgeber Fehlentwicklungen insbesondere bei der Erzeugung korrigiert. Bereits jetzt ist absehbar, dass damit kein Schlussstrich gezogen wurde. Nach der Bundestagswahl 2017 stehen erneut wichtige Richtungsentscheidungen auf der Agenda. Denn bis 2020 sollen die ersten Energiewendeziele erreicht werden. Auch müssen die Weichen für die Klimaziele 2030 gestellt werden. Die Zielmarken des Energiekonzepts lauten bis dahin: Treibhausgasminderung um minus 55 Prozent gegenüber 1990 und Steigerung des Erneuerbaren-Anteils in der Stromversorgung auf mindestens 50 Prozent.