Blackout-Gefahr: Verbände warnen vor Elektroheizungen
Stand: 28.07.2022
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Angesichts steigender Gaspreise und der Sorge um einem russischen Gas-Lieferstopp legen sich immer mehr Haushalte mobile elektrische Direktheizungen, beispielsweise Heizstrahler oder Radiatoren, zu. Doch die heizen nicht nur sehr viel teurer, sie erhöhen auch die Gefahr von Stromausfällen. Davor warnen die Branchenverbände DVGW und VDE. Sinnvoller sei es, die Gasheizung maßvoll weiterzubetreiben und ihre Effizienz zu erhöhen.
Die hohe Nachfrage nach Heizlüftern, Radiatoren und Heizstrahlern beunruhigt die Elektro-Fachkräfte. „Wir sehen die aktuelle Entwicklung mit einiger Sorge, da unsere Stromversorgung für eine derartige gleichzeitige Zusatzbelastung nicht ausgelegt ist“, sagt Dr. Martin Kleimaier, Leiter des Fachbereichs „Erzeugung und Speicherung elektrischer Energie“ der Energietechnischen Gesellschaft im VDE. „Da die Heizgeräte einfach an eine Haushaltssteckdose angeschlossen werden, können sie – im Gegensatz zu elektrischen Wärmepumpen oder sogenannten Nachtspeicher-Heizungen – im Falle von drohenden Netzüberlastungen nicht vom Netzbetreiber abgeschaltet werden“, so Kleimaier weiter.
Heizlüfter und Radiatoren sind zu teuer
Elektrische Direktheizgeräte verursachen deutlich höhere Kosten als eine Gasheizung. Das liegt daran, dass der Preis für eine Kilowattstunde (kWh) Strom deutlich höher ist als für eine kWh Gas. Im Juli 2022 kostet eine Kilowattstunde Strom im bundesweiten Durchschnitt rund 39 Cent, der durchschnittliche Gaspreis liegt bei 16 Cent/kWh. Unterstellt man eine vollständige Umwandlung der Heizenergie in Raumwärme (Wirkungsgrad 100 Prozent), müsste sich der Gaspreis also noch mehr als verdoppeln, damit sich die Elektroheizung lohnt.
Blackout-Gefahr durch massenhafte Nutzung
Der gleichzeitige Betrieb vieler Elektroheizungen könnte die Stromversorgung überfordern. „Bei so einer zusätzlichen, gleichzeitig auftretenden Belastung kann es zu einem Ansprechen des Überlastschutzes und damit zu einem Stromausfall in den betroffenen Netzbereichen kommen“, erläutert Prof. Dr.-Ing. Hendrik Lens, stellvertretender Leiter des VDE ETG Fachbereichs. „Auch die Wiederherstellung der Stromversorgung gestaltet sich als schwierig. Wenn nicht möglichst viele betroffene Kunden ihre Heizgeräte manuell ausschalten, würde ein Zuschaltversuch durch den Netzbetreiber sofort zu einem erneuten Abschalten führen“, führt Lens weiter aus.
Kraftwerke wären ebenfalls überlastet
Zu der Überlastung der örtlichen Stromnetze kommt noch das Problem hinzu, dass die derzeitige Kraftwerkskapazität für diese zusätzlichen Lasten nicht ausreicht. Die Verbände rechnen vor: Etwa 50 Prozent der rund 40 Millionen Haushalte in Deutschland heizen derzeit mit Gas. Bei der Annahme, dass an einem sehr kalten Wintertag im Mittel in der Hälfte dieser Haushalte ein elektrisches Heizgerät mit einer typischen Leistungsaufnahme von 2.000 Watt in Betrieb wäre, kommt man überschlägig zu einem zusätzlichen elektrischen Verbrauch von rund 20 Gigawatt. Dies entspricht einer Steigerung der aktuellen Jahreshöchstlast in Deutschland um ein Viertel, was weder die Stromnetze noch die vorhandenen Kraftwerke leisten könnten, zumal Gaskraftwerke in einer Gasmangellage ebenfalls nicht verfügbar wären.
Gasheizung weiterbetreiben und sparen
Frank Gröschl, Leiter des Technologie- und Innovationsmanagements beim DVGW, empfiehlt: „Die Gasheizung kann in jedem Fall weiterbetrieben werden. Sinnvoll ist es jedoch, schon jetzt im Sommer Effizienzmaßnahmen an den Gasheizungen für den Winter anzugehen. Eine Absenkung der Raumtemperatur um ein Grad spart sechs Prozent Energie. Durch Anpassung der Heizungsregelung an das tatsächliche Nutzerverhalten, hydraulischen Abgleich der Heizungsanlage und vieles mehr sind weitere schnell wirkende Maßnahmen zur Effizienzsteigerung und Verbrauchssenkung möglich. Laufende Wartungen an den Gasheizungen sollten vor dem Winter stattfinden, um Ineffizienzen frühzeitig aufzudecken und abzustellen. Dass diese Maßnahmen bereits zu greifen beginnen, zeigen die im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangenen Gasverbräuche um rund 14 Prozent. Da geht noch was.“
Privathaushalten wird das Gas nicht abgedreht
Auch wenn Russland immer weniger oder gar kein Gas mehr liefert, werden die Haushalte mit Gasheizung im Winter nicht frieren müssen. Zum einen sind die Privatkunden gesetzlich geschützt; zum anderen wird in das deutsche Gasnetz Erdgas auch aus Norwegen, den Niederlanden und Belgien eingespeist. Um Bedarfslücken beim Ausbleiben von Mengen aus Russland zu schließen, wird es weiterhin zu einer erhöhten Einspeisung aus den LNG-Terminals unserer europäischen Nachbarn kommen, über die Flüssiggas vom weltweiten Markt bezogen wird. Das neue LNG-Terminal in Wilhelmshaven wird bereits im kommenden Winter betriebsbereit sein. Mit einer Erhöhung der Einspeisung von Biogas in die Gasnetze könnte die Gasmangellage zusätzlich kompensiert werden.