Kann ich bei Krankheit gekündigt werden?
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Nach wie vor hält sich bei dem einen oder anderen angestellten Mitarbeiter eines Unternehmens der Irrglaube, eine Krankheit schütze vor einer Kündigung. Dies ist absolut nicht der Fall. Drei Szenarien sind bei der Kombination Krankheit und Kündigung denkbar.
Das Wichtigste in Kürze
- Eine Krankschreibung schützt nicht vor der rechtlich sauberen Zustellung einer Kündigung.
- Bei einer krankheitsbedingten Kündigung muss der Arbeitgeber bestimmte Sachverhalte berücksichtigen.
- Für sogenannte Negativprognosen zur Wiedereingliederung in das Berufsleben gelten je nach Krankheitsdauer unterschiedliche Vorgaben.
- Nach europäischem Recht kann auch eine ordnungsgemäße Kündigung wegen Krankheit einen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz bedeuten.
Darf der Chef dem Mitarbeiter während einer Krankheit kündigen?
Der Zeitpunkt einer Kündigung ist, sofern die Fristen und sonstigen Rahmenbedingungen gewahrt werden, jederzeit möglich. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt krankgeschrieben war oder nicht. Kündigungen, gerade wenn sie verhaltensbedingt sind, zeichnen sich in der Regel ab. Eine Abmahnung ist in der Regel die letzte Warnung. Die Überlegung, der Kündigung durch eine Krankschreibung zu entgehen, ist falsch. Die Kündigung kann dem Arbeitnehmer auch zugestellt werden, wenn er zu diesem Zeitpunkt krankgeschrieben ist.
Darf ein Unternehmen dem Mitarbeiter aufgrund einer Krankheit kündigen?
Dieser Sachverhalt ist gegenüber der ersten Variante gänzlich anders gelagert. Eine Kündigung aufgrund einer Erkrankung ist auf der Grundlage des Kündigungsschutzgesetzes nicht ohne Weiteres möglich. Der Kündigung müssen vielmehr
- personenbedingte·
- verhaltensbedingte oder
- betriebsbedingte
Ursachen zugrunde liegen. Eine Kündigung, die aufgrund der Tatsache, dass der Arbeitnehmer langfristig erkrankt und damit arbeitsunfähig ist, oder sehr häufig kurzzeitig erkrankt, fällt unter die personenbedingte Ursache. Damit eine solche Kündigung vor dem Arbeitsgericht Bestand hat, müssen bestimmte Rahmenbedingungen erfüllt sein.
Die personenbedingte Kündigung bei Krankheit
Bei einer personenbedingten Kündigung geht man davon aus, dass der Arbeitnehmer nicht in der Lage ist, seinen Pflichten aus dem Arbeitsvertrag, beispielsweise aufgrund häufiger Krankheit, nachzukommen. Der Unterschied zur verhaltensbedingten Kündigung ist relativ leicht aufzuzeigen:
- Personenbedingt: Arbeitnehmer will arbeiten, kann aber nicht.
- Verhaltensbedingt: Arbeitnehmer kann arbeiten, will aber nicht.
Negativprognose Voraussetzung für gültige Kündigung
Damit eine krankheitsbedingte Kündigung rechtlichen Bestand hat, ist eine sogenannte Negativprognose notwendig. Diese Prognose attestiert, dass der Arbeitnehmer auch in Zukunft nicht in der Lage ist, krankheitsbedingt seinen vertraglichen Verpflichtungen am Arbeitsplatz nachzukommen.
Die Negativprognose orientiert sich an der Dauer der Erkrankung. Bei immer wieder auftretenden kurzfristigen Erkrankungen gilt sie als begründet, wenn der Arbeitnehmer in den letzten drei Jahren vor Kündigung durchschnittlich mindestens 60 Arbeitstage pro Jahr krankgeschrieben war.
Bei einer Langzeiterkrankung kann beispielsweise die Frist von 18 Monaten entscheidend sein. Der Arbeitgeber kündigt das Arbeitsverhältnis, weil der Arbeitnehmer 18 Monate krankgeschrieben war. Fehlt jedoch die Negativprognose, dass die Krankschreibung länger anhält, ist die Kündigung ungültig, wenn der Arbeitnehmer den Beweis antritt, dass er nach Ablauf von 18 Monaten wieder voll belastbar ist. Der Arbeitnehmer ist allerdings nach 18 Monaten auch verpflichtet, dem Arbeitsgericht mitzuteilen, an welcher Erkrankung er litt und welche Maßnahmen zur Heilung durchgeführt wurden. Damit kann das Gericht selbst prüfen, ob eine Arbeitsfähigkeit wieder eintreten wird und die Kündigung damit unwirksam ist.
Bei einer Negativprognose bei Kündigung aufgrund dauernder Arbeitsunfähigkeit geht es darum, ob der Arbeitnehmer grundsätzlich wieder in der Lage sein wird, den Vorgaben aus dem Arbeitsvertrag gerecht zu werden.
Angenommen, es handelt sich um einen Lagerarbeiter, der gemäß Arbeitsvertrag Gewichte bis 40 Kilogramm tragen können muss. Aufgrund der Vorerkrankung wird testiert, dass er künftig nicht mehr schwerer als 20 Kilogramm heben darf. In diesem Fall legitimiert die Negativprognose die Kündigung.
Bedeutet die Kündigung wegen Krankheit einen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)?
Die Kündigung auf der Grundlage der Negativprognose bei Krankheit klingt zunächst „wasserdicht“, wenn die Prognose eine weitere Tätigkeit gemäß Arbeitsvertrag weitgehend ausschließt. Aber dann gibt es noch das AGG, das wiederum gegenteilige Positionen zur personenbedingten Kündigung mit Negativprognose aufweist.
Der Europäische Gerichtshof hat sich dazu folgendermaßen geäußert: Eine Krankheit, die einen Menschen langfristig davon abhält, einer Berufstätigkeit nachzugehen, ist als Behinderung einzustufen. Dies gilt auch, wenn die Erkrankung langfristig geheilt werden kann. Es handelt sich in diesem Fall um eine Behinderung im Sinne des Europarechts. Damit ist auch der Sachverhalt der Behinderung gemäß AGG gegeben. Eine Kündigung aufgrund der Erkrankung wäre damit eine Kündigung aufgrund einer Behinderung. Diese wiederum ist aufgrund des diskriminierenden Charakters nicht zulässig, die Kündigung ist damit auf der Grundlage des Europarechts und des AGG rechtswidrig.
Der Europäische Gerichtshof räumt jedoch auch ein, dass nicht jede langfristige Erkrankung automatisch als Behinderung einzustufen ist.
Welchen Schutz bietet die Arbeits- und Berufsrechtsschutz bei Kündigung wegen Krankheit?
Es muss nicht gleich der Europäische Gerichtshof sein, der bemüht wird. Allerdings kann der oben beschriebene Fall im Zusammenhang mit dem AGG durchaus in zweite oder dritte Instanz gehen. Der Arbeitnehmer muss zunächst einmal darlegen, weshalb der Tatbestand der Diskriminierung greift. Ohne juristischen Beistand dürfte dies schwierig werden. Mit einer Arbeits- und Berufsrechtsschutzversicherung sichert sich der Arbeitnehmer gegen die Kosten ab.
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