Veraltete Tarifstruktur im Festnetz: Anrufe zum Handy kosten bis zu 22 Cent pro Minute
09.02.2023 | 09:00
Text: Verivox
Heidelberg. Knapp jeder zweite Deutsche behält seinen festen Telefonanschluss, weil manche Gesprächspartner keine Mobiltelefone anrufen wollen. Denn: Fast alle Festnetzanbieter lassen sich Anrufe ins Mobilfunknetz extra bezahlen. Ohne kostenpflichtige Zusatzoption kosten Gespräche zum Handy oft rund 20 Cent pro Minute – erheblich mehr als Telefonate innerhalb der EU. Das zeigt eine aktuelle Marktanalyse des Vergleichsportals Verivox.
Vom Festnetz aufs Handy: Flatrates sind die Ausnahme
Viele Handytarife – die so genannten Allnet-Flats – beinhalten heute eine Telefonpauschale für Gespräche in alle deutschen Fest- und Mobilfunknetze. Bei Festnetz-Telefontarifen sind kostenlose Gespräche in die deutschen Mobilfunknetze jedoch die Ausnahme. Wenn eine solche Handyflat überhaupt angeboten wird, fallen dafür monatliche Zusatzkosten von bis zu zehn Euro an. Abseits dessen werden aktuell Minutenpreise zwischen 9,8 und 21,9 Cent verlangt.
"Anrufe in die deutschen Mobilfunknetze müssen bei fast allen Festnetz-Pauschaltarifen extra bezahlt werden. Ausgenommen ist nur das O2-Portfolio sowie einzelne Tarife im oberen Preissegment," sagt Jens-Uwe Theumer, Vice President Telecommunications bei Verivox. "Die minutenbasierte Abrechnung ist längst nicht mehr zeitgemäß, zumal in dieser Höhe. Die Kosten für Gespräche zum Handy sind seit vielen Jahren fast unverändert."
Meist werden rund 20 Cent pro Minute zum Handy fällig
Mit 21,9 Cent sind Gespräche in die deutschen Mobilfunknetze beim Kabelprovider Pyur am teuersten. Vodafone, 1&1, EWE sowie M-net verlangen 19,9 Cent je Minute. Bei der Telekom (außer im XL-Tarif) und bei Netcologne fallen 19 Cent an. Die Thüringer Netkom bepreist Handytelefonate mit 17 Cent, deutlich günstiger sind sie bei Easybell mit 9,8 Cent je Gesprächsminute. Lediglich O2 fällt aus der Reihe: In allen Festnetztarifen sind seit Oktober 2022 Telefonate ins Handynetz ohne Aufpreis inkludiert.
Die hohen Minutenpreise vom Festnetz zum Handy sind für viele Menschen ein wesentlicher Grund für das Beibehalten eines Festnetzanschlusses. Im Mai 2022 hatte eine repräsentative Umfrage von Verivox ergeben, dass 46 Prozent der Befragten ihren festen Telefonanschluss deshalb behalten, weil einige ihrer Kontakte keine Mobiltelefone anrufen wollen. Das gilt insbesondere für ältere Menschen.
Tarifstruktur klassischer Telefondienste ist längst überholt
22 Prozent der von Verivox Befragten haben hingegen die Erfahrung gemacht, dass Telefonate übers Festnetz günstiger sind als mit dem Smartphone. In der Tat hängen die Kosten für ein Telefonat – neben dem Tarif – vor allem von Übertragungsweg und Zieldestination ab.
Gängige Handy-Flatrates decken Gespräche in alle deutschen Netze ab, nicht jedoch Telefonate ins Ausland: Übers Mobilfunknetz kosten Auslandsgespräche selbst in die günstigsten Länder oft 20 Cent pro Minute oder mehr. Im Festnetz fällt für solche Gespräche meist nur ein Zehntel des Handy-Preises an – dafür kosten Festnetztelefonate ins deutsche Handynetz in der Regel so viel wie ein Handygespräch etwa nach Spanien oder Italien.
"Es ist schwer nachzuvollziehen, dass Verbraucherinnen und Verbraucher im Jahr 2023 noch überlegen müssen, welche Anschlüsse sie am besten mit welchem Gerät anrufen", sagt Theumer. "Denn die Telefonminute ist für Netzbetreiber schon lange kein entscheidender Kostenfaktor mehr. Erfolgreiche Telefondienste wie Skype, Facetime oder Whatsapp haben hingegen eine sehr einfache Tarifstruktur: Verbraucht wird lediglich das Datenvolumen des Handytarifs. Viele Gespräche sind so ohne Zusatzkosten möglich."
Methodik
Verivox hat die Preise für Telefonate in die deutschen Handynetze bei zehn großen deutschen Festnetz- und Internetanbietern recherchiert (Telekom, Vodafone, O2, 1&1, M-net, Pyur, EWE, Netcologne, Netkom und Easybell). Stand der Daten: 19.01.2023. Die verwendeten Umfragedaten wurden von der Innofact AG im Mai 2022 im Auftrag von Verivox repräsentativ erhoben; teilgenommen haben 1.040 Personen im Alter von 18 bis 69 Jahren. Gefragt wurde: "Aus welchem Grund nutzen Sie den festen Telefonanschluss?" Die Umfrage ist bevölkerungsrepräsentativ in Bezug auf Alter, Geschlecht und Bundeslandzugehörigkeit. Hinweis: Der Begriff "Festnetz" wird hier gleichgesetzt mit "stationärem Telefonanschluss". Streng genommen gibt es kein Festnetz mehr, seit die Anschlüsse IP-basiert sind.