Folgenschwere Leitzinssenkung: Gut zwei Drittel der Banken haben ihre Festgeldzinsen reduziert
17.10.2024 | 08:55
Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: Verivox
Heidelberg. Viele Banken und Sparkassen haben die jüngste Leitzinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) schnell an die Sparerinnen und Sparer weitergereicht: Seit Anfang September haben gut zwei Drittel der Kreditinstitute ihre Festgeldzinsen gesenkt. Anders beim Tagesgeld – hier sind die Zinsen geringfügig gesunken. Das zeigt eine aktuelle Zinsauswertung von über 800 Banken und Sparkassen durch das Vergleichsportal Verivox.
Gut zwei Drittel der Banken senken ihre Festgeldkonditionen
Seit dem EZB-Termin im September haben mindestens 346 Banken und Sparkassen ihre Festgeldzinsen gesenkt – das entspricht einem Anteil von 69 Prozent. Bei überregionalen Banken bringen Festgelder mit 2 Jahren Laufzeit aktuell durchschnittlich 2,51 Prozent Zinsen und damit 0,20 Prozentpunkte weniger als im Vormonat September. Das ist die stärkste Zinssenkung seit Beginn des Jahres. Die Durchschnittszinsen fielen dadurch auf den tiefsten Stand seit April 2023 (2,47 Prozent). "Wer sein Erspartes heute für zwei Jahre fest anlegen möchte, findet derzeit ein Zinsniveau wie im Frühsommer 2023 vor", sagt Oliver Maier, Geschäftsführer der Verivox Finanzvergleich GmbH.
Noch deutlich höhere Zinsen zahlen die Top-Anbieter im Markt. Aktuell bieten zehn Banken, die dem nationalen Einlagensicherungssystem eines Staates mit Top-Bonitätsbewertung angehören, zweijährige Festgeldzinsen von 3 Prozent oder mehr an. Die Zinsunterschiede im Markt sind allerdings groß. Bei den überregionalen Banken liegt das Zinsniveau höher als im regionalen Sektor.
Bei den Sparkassen werden zweijährige Termingelder aktuell im Schnitt mit 1,80 Prozent verzinst. Etwas höher sind die Zinsen mit 1,89 Prozent bei den regionalen Genossenschaftsbanken. Dazu zählen die örtlichen Volks- und Raiffeisenbanken sowie die PSD- und Sparda-Banken. Somit sind die Festgeldzinsen der beiden regionalen Institutsgruppen durchschnittlich 0,71 (Sparkassen) beziehungsweise 0,62 Prozentpunkte (Genossenschaftsbanken) niedriger als bei Geldhäusern, die ihre Sparprodukte deutschlandweit anbieten. Bei einer Anlagesumme von 10.000 Euro macht das über die volle Laufzeit immerhin 142 Euro beziehungsweise 124 Euro Unterschied bei den Zinserträgen.
"Wir rechnen im Laufe des Jahres mit mindestens einer weiteren Leitzinssenkung. Damit dürften die Sparzinsen weiter sinken", schätzt Oliver Maier die Marktentwicklung ein. "Aus diesem Grund sind Festgeldangebote interessant für Sparer, da sie für einen bestimmten Zeitraum die Zinsen garantieren, sofern sie für den Anlagezeitraum auf ihr Erspartes verzichten können. Wer Angebote vergleicht, kann sich aktuell bis zu 3,45 Prozent Zinsen für zwei Jahre sichern. Bei Banken mit Top-Bonität streichen damit Sparer mit einer Anlagesumme von 10.000 Euro noch über 690 Euro Zinsen ein."
Günstige Inflationsentwicklung führt zu hohen Realzinsen
Trotz der gesunkenen Zinsen sind die Rahmenbedingungen für klassische Tages- und Festgeldsparer derzeit so gut wie lange nicht. Denn die Inflationsrate ist wesentlich stärker gesunken als die Zinsen. Wie lukrativ eine Geldanlage ist, zeigt der Realzins, also der Ertrag unter Einberechnung inflationsbedingter Kaufkrafteinbußen. Im September ist die Inflationsrate mit 1,6 Prozent auf den tiefsten Stand seit Februar 2021 gesunken. Infolgedessen hat der Realzins einer durchschnittlich verzinsten zweijährigen Festgeldanlage mit fast 1 Prozent einen neuen Höchststand erklommen. Zum ersten Mal seit der Zinswende im Sommer 2022 liegt auch der Realzins einer durchschnittlich verzinsten Tagesgeldanlage wieder knapp über der Nulllinie (0,04 Prozent).
"Sparer profitieren bei der Geldanlage davon, dass die Teuerungsraten wesentlich schneller und stärker gesunken sind als die Zinsen für klassische Sparanlagen wie Tages- und Festgeld. Dadurch fallen die Zinseinnahmen höher aus als der gleichzeitige Wertverlust durch die Inflation", sagt Oliver Maier.
124 Banken haben Tagesgeldzinsen gesenkt
Auch beim Tagesgeld haben Kreditinstitute nach der Leitzinssenkung im September schnell reagiert. Mindestens 124 Banken und Sparkassen haben seit dem letzten Notenbanktermin ihre Tagesgeldzinsen gesenkt. Bei insgesamt 778 ausgewerteten Banken entspricht das einem Anteil von 16 Prozent.
Unter den Banken mit Zinssenkungen befinden sich überproportional viele bundesweit aktive Banken. 21 von insgesamt 85 überregionalen Banken haben seit Mitte September ihre Zinsen gesenkt. Das entspricht einem Anteil von 25 Prozent. Allerdings entfallen fast alle Zinssenkungen in diesem Segment auf Kreditinstitute, die auch nach der Zinssenkung noch überdurchschnittlich hohe Zinsen von 2 Prozent oder mehr zahlen.
"Viele Banken mit besonders hohen Zinsen mussten nach der Leitzinssenkung zügig reagieren und ihre Zinsen ebenfalls senken, damit sich das Geschäft für sie weiterhin lohnt", erklärt Oliver Maier, Geschäftsführer der Verivox Finanzvergleich GmbH. Wie die Verivox-Auswertung zeigt, entfallen aber gut die Hälfte aller Zinssenkungen (55 Prozent) auf Geldhäuser, die schon zuvor lediglich Niedrigzinsen von 1 Prozent oder weniger bezahlt haben. Das betrifft fast ausnahmslos regionale Genossenschaftsbanken und Sparkassen.
Wenig Bewegung bei den Durchschnittszinsen
Da beim Tagesgeld weniger Banken als beim Festgeld ihre Zinsen gesenkt haben, ist der Einfluss auf die Durchschnittszinsen hier deutlich geringer. Überregionale Banken zahlen im Schnitt aktuell 1,64 Prozent und sind somit geringfügig gesunken um 0,04 Prozentpunkte. Die Sparkassen (0,59 Prozent) und regionalen Genossenschaftsbanken (0,61 Prozent) zahlen im Durchschnitt wesentlich niedrigere Zinsen. In beiden Marktsegmenten sind die Zinsen im Vergleich zum September geringfügig um 0,02 beziehungsweise 0,03 Prozentpunkte gesunken.
Oliver Maier erklärt, warum die Zinsen beim Tagesgeld nicht noch stärker gesunken sind: "Unter den bundesweit aktiven Banken zwingt der scharfe Konkurrenzkampf die Banken zum Augenmaß. Wer in diesem Segment keine Kunden verlieren will, muss mit Zinssenkungen vorsichtig sein. Viele regionale Geldhäuser zahlen hingegen so wenig Zinsen, dass ihre Margen auch jetzt noch groß genug sind und sie die EZB-Zinssenkung nicht direkt an ihre Kunden durchreichen mussten."
Methodik
Verivox recherchiert und analysiert regelmäßig die aktuellen Tages- und Festgeldzinsen von rund 800 Banken und Sparkassen für eine Anlagesumme von 10.000 Euro. Berücksichtigt werden alle Kreditinstitute, die ihre Konditionen frei zugänglich im Internet veröffentlichen. Basis der Zinssenkungsanalyse sind alle Banken und Sparkassen, für die sich sowohl am 11. September als auch am 14. Oktober 2024 Tages- und Festgeldzinsen recherchieren ließen.
Im regionalen Sektor wird zwischen Sparkassen und regionalen Genossenschaftsbanken unterschieden. In beiden Institutsgruppen gibt es einzelne Häuser, die ihre Sparprodukte deutschlandweit anbieten und deshalb den überregionalen Banken zugeordnet wurden. Zu den Genossenschaftsbanken zählen die Volks- und Raiffeisenbanken sowie die PSD- und Sparda-Banken