Folgen der Leitzinssenkung: Tagesgeldzinsen bei 64 Banken gesunken – wenig Bewegung bei Krediten
17.07.2024 | 09:21
Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: Verivox
Heidelberg. Viele Banken und Sparkassen haben die jüngste Leitzinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) schnell an die Sparerinnen und Sparer weitergereicht: Seit Anfang Juni haben mindestens 64 Kreditinstitute ihre Tagesgeldzinsen gesenkt. Die Zinsen von Immobilien- und Ratenkrediten sind nach der Notenbankentscheidung hingegen nicht nachhaltig gesunken. Das zeigen aktuelle Zinsanalysen des Vergleichsportals Verivox.
Mindestens 64 Banken haben Tagesgeldzinsen gesenkt
Seit Anfang Juni haben mindestens 64 von 765 betrachteten Banken und Sparkassen ihre Tagesgeldzinsen gesenkt – das entspricht einem Anteil von 8 Prozent. Zinserhöhungen gab es nur bei vier Geldhäusern.
Auch im Marktdurchschnitt sind die Tagesgeldzinsen weiter gesunken. Überregionale Banken zahlen im Schnitt aktuell 1,69 Prozent, Anfang Juni waren es 1,72 Prozent. Die Sparkassen (0,62 Prozent) und die regionalen Genossenschaftsbanken (0,64 Prozent) zahlen im Durchschnitt noch einmal wesentlich niedrigere Zinsen.
Ein Drittel aller Zinssenkungen entfällt auf Banken mit Niedrigzinsen
Bei den Zinssenkungen ist das Bild nicht einheitlich: 14 Geldhäuser haben zwar ihre Zinsen gesenkt, liegen aber auch weiterhin oberhalb der Zwei-Prozent-Marke und zahlen somit nach wie vor überdurchschnittlich hohe Zinsen. "Bei diesen Banken sind die Gewinnspannen mitunter so knapp kalkuliert, dass die Institute nach der Leitzinssenkung schnell reagieren und ihre Konditionen anpassen mussten, damit sich das Geschäft für sie überhaupt noch lohnt", erklärt Oliver Maier, Geschäftsführer der Verivox Finanzvergleich GmbH.
Es gibt aber auch eine ganze Reihe Banken, die schon vor der Notenbankentscheidung kaum Zinsen zahlten und ihre Tagesgeldkonditionen nun noch tiefer in den Keller gedrückt haben. Insgesamt 23 Banken hatten schon zuvor lediglich Niedrigzinsen von weniger als 1 Prozent aufs Tagesgeld bezahlt.
Auch die Festgeldzinsen sinken weiter
Beim Festgeld hat sich der Trend moderat sinkender Zinsen aus den Vormonaten nach der Leitzinssenkung ebenfalls fortgesetzt: Die Durchschnittszinsen bundesweit verfügbarer Angebote mit zwei Jahren Laufzeit sind von 2,82 Prozent Anfang Juni auf aktuell 2,79 Prozent gesunken. Auf ihrem vorläufigen Höhepunkt im November standen sie bei 3,39 Prozent und somit 0,6 Prozentpunkte höher als heute.
Oliver Maier erklärt, warum die Durchschnittszinsen bislang noch nicht stärker sinken: "In ihre Festgeldangebote hatten viele Kreditinstitute die erwartete Zinssenkung bereits im Vorfeld eingepreist und mussten ihre Konditionen deshalb nicht noch einmal anpassen. Beim Tagesgeld ist der Markt zweigeteilt: Unter den bundesweit aktiven Banken zwingt der scharfe Konkurrenzkampf die Banken zum Augenmaß. Wer in diesem Segment keine Kunden verlieren will, muss mit Zinssenkungen vorsichtig sein. Viele regionale Geldhäuser zahlen hingegen so wenig Zinsen, dass ihre Margen auch jetzt noch groß genug sind und sie die EZB-Zinssenkung nicht direkt an ihre Kunden durchreichen mussten."
Auf und Ab bei den Ratenkreditzinsen
Anders als für Sparer wären sinkende Zinsen für Kreditnehmer eine gute Nachricht. Doch weder bei Ratenkrediten noch bei Immobiliendarlehen sind die Zinsen in Folge der Notenbankentscheidung nach unten gegangen. Wer im Juli über Verivox einen Ratenkredit aufgenommen hat, zahlt dafür im Mittel 6,89 Prozent Zinsen. Gegenüber dem Vormonat entspricht das einem leichten Anstieg um 0,14 Prozentpunkte. Zuvor waren die Ratenkreditzinsen im Juni mit 6,75 Prozent zwischenzeitlich auf den tiefsten Stand seit einem Jahr gesunken. Auf ihrem vorläufigen Höchststand im Dezember 2023 standen sie bei 7,27 Prozent.
"Seit Ende letzten Jahres bewegen sich die Ratenkreditzinsen in der Tendenz wieder deutlich nach unten. Dass die Zinsen zuletzt dennoch wieder leicht angezogen sind, liegt daran, dass mehrere Banken nach der Notenbankentscheidung ihre Kriterien für die Kreditvergabe gelockert haben", erklärt Oliver Maier. "Somit können nun auch Verbraucherinnen und Verbraucher einen Kredit aufnehmen, die aufgrund ihrer Bonität zuvor keine Finanzierungszusage erhalten hätten. Wegen des größeren Risikos verlangen die Banken bei diesen Krediten aber vergleichsweise hohe Zinsen."
Konstantes Zinsniveau bei Immobiliendarlehen
Auch die Zinsen für Baufinanzierungen sind nach der EZB-Entscheidung im Juni nicht nachhaltig gesunken. Aktuell liegen die Zinsen für Immobilienkredite mit 10 Jahren Zinsbindung bei 3,71 Prozent. Für Darlehen mit 15-jähriger Zinsbindung müssen Eigenheimerwerber 3,85 Prozent Zinsen zahlen. Damit befinden sich die Zinsen in etwa auf der gleichen Höhe wie Anfang Juni.
"Es ist keine Überraschung, dass Baufinanzierungen in Folge der Leitzinssenkung nicht günstiger geworden sind. Auch in den kommenden Wochen dürften sich die Bauzinsen ungefähr auf dem aktuellen Niveau halten", sagt Oliver Maier. "Die geldpolitischen Entscheidungen der EZB beeinflussen die Zinsentwicklung nur mittelbar und in einer längerfristigen Perspektive. Ausschlaggebend ist vor allem, zu welchen Kosten sich die Banken am Kapitalmarkt refinanzieren können. Dort sind zwei bis drei Leitzinssenkungen in diesem Jahr eingepreist, weshalb die Bauzinsen bereits in den Wochen kurz vor dem Jahreswechsel spürbar gesunken waren."
Verglichen mit dem vorläufigen Zinshöhepunkt im Oktober letzten Jahres sind Baufinanzierungen heute wesentlich günstiger. Damals standen die Zinsen für 10-jährige Baukredite noch bei 4,25 Prozent. Wer zu diesen Konditionen ein Baudarlehen über 300.000 Euro abgeschlossen hat und 1.500 Euro für die monatliche Rate zahlt, muss rund 17.000 Euro höhere Zinskosten schultern als für den gleichen Baukredit bei heutigem Zinsniveau fällig würden.
Methodik
Verivox recherchiert und analysiert regelmäßig die aktuellen Tages- und Festgeldzinsen von rund 800 Banken und Sparkassen für eine Anlagesumme von 10.000 Euro. Berücksichtigt werden alle Kreditinstitute, die ihre Konditionen frei zugänglich im Internet veröffentlichen. Basis der Zinssenkungsanalyse sind alle 765 Banken und Sparkassen, für die sich sowohl am 1. Juni als auch am 15. Juli 2024 die geltenden Tagesgeldzinsen recherchieren ließen.
Im regionalen Sektor wird zwischen Sparkassen und regionalen Genossenschaftsbanken unterschieden. In beiden Institutsgruppen gibt es einzelne Häuser, die ihre Sparprodukte deutschlandweit anbieten und deshalb den überregionalen Banken zugeordnet wurden. Zu den Genossenschaftsbanken zählen die Volks- und Raiffeisenbanken sowie die PSD- und Sparda-Banken.
Die Analyse der Bauzinsentwicklung basiert auf öffentlich zugänglichen Zinsdaten von Biallo, der FMH Finanzberatung, sowie des Baufinanzierungsvermittlers Interhyp. In die Auswertung der Ratenkreditzinsen flossen sämtliche Kreditabschlüsse bei Verivox ein. Ausgewertet wurde der Median-Zins, denn er ist repräsentativ für Kreditnehmer mit durchschnittlicher Bonität. Die Hälfte aller Kreditnehmer erhielt ihren Kredit zu diesem Zinssatz oder günstiger, die andere Hälfte zahlte höhere Zinsen.