Die Rallye ist zu Ende: Festgeldzinsen sinken erstmals wieder
14.12.2023 | 08:26
Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: Verivox
Heidelberg. Zum ersten Mal seit der Zinswende im letzten Jahr sind die Zinsen für mittel- und langfristige Festgelder wieder gesunken. Auch beim Tagesgeld ist der Zinsanstieg nahezu zum Stillstand gekommen. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Zinsauswertung des Vergleichsportals Verivox.
Sinkende Zinsen sind nicht nur Momentaufnahme
Anfang November brachten Festgelder mit zwei Jahren Laufzeit bei bundesweit aktiven Banken im Durchschnitt noch 3,39 Prozent Zinsen. Aktuell sind es 3,35 Prozent. Die Zinsen fünfjähriger Termingelder sind im selben Zeitraum von 3,21 auf 3,15 Prozent gesunken. "Bei den sinkenden Zinsen handelt es sich nicht bloß um eine Momentaufnahme", sagt Oliver Maier, Geschäftsführer der Verivox Finanzvergleich GmbH. "Die Trendwende hatte sich in den letzten Wochen bereits angedeutet."
Schon seit Juli bringen langfristige Festgelder mit fünf Jahren Laufzeit bei bundesweit aktiven Banken im Schnitt weniger Zinsen als kürzer laufende Anlagen. Niedrigere Zinsen für Anlagen mit längeren Laufzeiten sind selten und ein Indiz dafür, dass ein Großteil der Banken perspektivisch schon seit geraumer Zeit mit sinkenden Zinsen rechnet. "Bei der Verzinsung mittel- und langfristiger Termingelder preisen Kreditinstitute die künftig zu erwartende Zinsentwicklung ein", erklärt Oliver Maier. "Zuletzt sank die Teuerungsrate im Euroraum wesentlich schneller als von vielen Experten erwartet. Eine niedrige Inflation könnte die Notenbank veranlassen, ihre Leitzinsen früher als bislang geplant zu senken. Das berücksichtigen die Banken in der Ausgestaltung ihrer Festgeldkonditionen."
Regionalbanken senken ihre Zinsen noch stärker
Auch im regionalen Sektor sind die Zinsen der mittel- und langfristigen Sparanlagen rückläufig: Bei den Sparkassen sank der Durchschnittszins von zweijährigen Festgeldanlagen von 2,48 auf 2,40 Prozent. Sparkassenkundinnen und -kunden, die ihr Geld für fünf Jahre fest anlegen, erhalten dafür im bundesweiten Schnitt aktuell 2,44 Prozent Zinsen. Anfang November waren es noch 2,56 Prozent. Mit einer Abschwächung um 0,08 beziehungsweise 0,12 Prozentpunkte fällt der Rückgang bei den Durchschnittszinsen im Sparkassensektor also etwa doppelt so stark aus wie bei den bundesweit aktiven Banken (Rückgang dort: 0,04 bzw. 0,06 Prozentpunkte).
Ähnlich ist das Bild bei den regionalen Genossenschaftsbanken, also den örtlichen Volks- und Raiffeisenbanken sowie den PSD- und Sparda-Banken: Wie bei den Sparkassen sind die Zinsen zweijähriger Festgelder in diesem Marktsegment um 0,08 Prozentpunkte gesunken – von 2,59 Prozent Anfang November auf aktuell 2,51 Prozent. Bei den langfristigen Festgeldern mit fünf Jahren Laufzeit fiel der Zinsrückgang mit 0,15 Prozentpunkten sogar noch etwas höher aus.
"In den zurückliegenden anderthalb Jahren hinkte die Mehrheit der Sparkassen und Volksbanken der allgemeinen Marktentwicklung hinterher und gab die gestiegenen Zinsen nur zögerlich an ihre Kundinnen und Kunden weiter", sagt Oliver Maier. "Jetzt hingegen reagieren die regionalen Kreditinstitute äußerst schnell auf die geänderte Marktlage. Bei den örtlichen Sparkassen und Genossenschaftsbanken sinken die Zinsen wesentlich schneller und stärker als bei Banken, die ihre Sparprodukte bundesweit anbieten und sich somit einem wesentlich schärferen Wettbewerb ausgesetzt sehen."
Wie Sparer ihr Geld jetzt richtig anlegen
Trotz des jüngsten Rückgangs liegen die Festgeldzinsen im historischen Maßstab aktuell noch auf einem sehr hohen Niveau. Für Sparer könnte deshalb jetzt ein guter Zeitpunkt sein, Ersparnisse von täglich verfügbaren Anlagen in mittel- oder auch sehr langfristige Termingelder umzuschichten. "Wer den Anlagebetrag für längere Zeit nicht benötigt und ein Festgeldangebot mit starker Einlagensicherung wählt, kann sich in der aktuellen Marktsituation auch sehr langfristig binden, um sich die hohen Zinsen für einen langen Zeitraum zu sichern", rät Oliver Maier. "Sowohl bei den fünf- als auch bei den zehnjährigen Termingeldern bieten einige deutsche Banken aktuell noch Zinsen jenseits der Vier-Prozent-Marke." Bei einer solchen Verzinsung fällt der Kapitalzuwachs durch Zinsen aktuell ein gutes Stück höher aus als der Wertverlust durch die laufende Teuerung (aktuell: 3,2 Prozent).
Anleger sollten aber beachten, dass sie bei einer Festgeldanlage zwischenzeitlich keinen Zugriff auf ihre Ersparnisse haben. Für Gelder, die in einem überschaubaren Zeitraum wieder verfügbar sein sollen, benötigen sie eine Strategie mit mehr Flexibilität. "Dann sind Sparer mit zwei abwechselnd auslaufenden Anlagen mit jeweils zwei Jahren Laufzeit gut aufgestellt", sagt Oliver Maier. "So profitieren sie einerseits für längere Zeit von den aktuell sehr hohen Zinsen. Aber zugleich kommt jedes Jahr eine der beiden Anlagen zurück. Je nach Marktlage kann das Geld dann entweder erneut investiert oder anderweitig verwendet werden." Um in diesen Modus hineinzukommen, können Anleger ihre Gesamtanlage zum Start jeweils zur Hälfte auf eine einjährige und eine zweijährige Anlage aufteilen.
Tagesgeld bleibt unverzichtbar im Anlagemix
Auch unter veränderten Marktbedingungen sollten Sparer nicht ihre gesamten Ersparnisse in Anlagen mit fester Laufzeit stecken. Eine finanzielle Reserve, die im Notfall jederzeit verfügbar ist, bleibt unverzichtbar. "Etwa drei bis fünf Netto-Monatsgehälter sollten Anleger für größere unerwartete Ausgaben jederzeit flüssig haben", empfiehlt Oliver Maier. "Dieser Notgroschen ist auf dem Tagesgeldkonto am besten angelegt."
Beim Tagesgeld beobachtet Verivox bislang noch keine sinkenden Durchschnittszinsen. Allerdings ist der Zinsanstieg zuletzt fast zum Stillstand gekommen. Bei Banken mit einem bundesweit verfügbaren Sparangebot sind die Zinsen seit Anfang November noch um 0,06 Prozentpunkte auf aktuell durchschnittlich 1,71 Prozent gestiegen. Bei den Sparkassen (0,59 Prozent) und den regionalen Genossenschaftsbanken (0,58 Prozent) müssen Sparer sich im Durchschnitt mit deutlich niedrigeren Zinsen begnügen.
Wer Angebote vergleicht, kann sich aber auch wesentlich höhere Erträge sichern. Die Top-Anbieter im Markt bieten immer noch Tagesgeldzinsen von 4 Prozent und mehr. Wer 10.000 Euro zu diesem Zinssatz ein Jahr lang anlegt, streicht insgesamt gut 340 Euro mehr Zinsen ein als bei einer Tagesgeldanlage zum Durchschnittszins der Sparkassen und Volksbanken.
Methodik
Für die Zinsanalyse hat Verivox die Konditionen von rund 800 Banken und Sparkassen für eine Anlagesumme von 10.000 Euro ausgewertet. Berücksichtigt wurden sämtliche Kreditinstitute mit Tages- und Festgeldangeboten, die ihre Zinsen frei zugänglich auf ihrer Website veröffentlichen. Im regionalen Sektor wird zwischen Sparkassen und Genossenschaftsbanken unterschieden. In beiden Institutsgruppen gibt es einzelne Häuser, die ihr Tagesgeld deutschlandweit anbieten und deshalb den bundesweit verfügbaren Angeboten zugeordnet wurden. Stichtag der Auswertung ist der 11.12.2023.