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Berlin – Die deutsche Luftfahrt steht enorm unter Druck. Denn Ryanair, Easyjet und andere Billigflieger wittern ihre Chance am Himmel, wollen weiter wachsen und drängen zunehmend von kleineren Flughäfen auf die großen deutschen und europäischen Drehkreuze.
Low-Cost-Flüge sind mittlerweile eher der Standard, zumindest in Europa. Das hat fünf Konsequenzen für Flugreisende – und die sind oft sehr erfreulich:
1. Mehr Airlines
Auch wenn Air Berlin sein Streckennetz verkleinern muss – mit Blick auf Europa entsteht eher mehr Auswahl am Himmel. Im harten Preiskampf haben die etablierten Fluggesellschaften das Geschäftsmodell der Billigflieger adaptiert: Das ist an Eurowings (Lufthansa), Vueling (British Airways/Iberia) und Transavia (KLM/Air France) zu sehen. Und das sind längst nicht die einzigen Airlines: Norwegian bietet auf vielen Nordeuropa-Strecken günstige Flüge, die ungarische Wizz Air und die rumänische Blue Air fliegen für wenig Geld in Richtung Osteuropa.
Die Billigflieger konzentrieren sich auf Direktflüge ohne Umsteigen und verkaufen Sitze vor allem einzeln über die eigene Internetseite, erklärt Prof. Christoph Brützel vom Aviation Department der Internationalen Fachhochschule in Bad Honnef. Jeder Zusatzservice – vom Wunschsitzplatz bis zum Essen – kostet extra.
2. Günstige Preise
Der Wettbewerb über den Wolken erhöht die Chancen auf günstige Preise. Peter Berster vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, DLR, führt als Beispiele die Strecken Köln-Berlin mit den Wettbewerbern Ryanair, Eurowings und Air Berlin sowie München-Berlin mit Transavia, Lufthansa und Air Berlin an. Die Zahl der Strecken mit preisgünstigen Flugangeboten nimmt durch die Konkurrenz zu. Auch die großen Premium-Airlines müssen ihre Preise anpassen.
3. Mehr Strecken
Vor allem Köln/Bonn, Berlin-Schönefeld und Stuttgart profitierten laut einer DLR-Analyse vom großen Angebot bei den Billigfliegern. Ryanair baut das Angebot ab Berlin massiv aus, 19 neue Sommerziele stehen nächstes Jahr im Flugplan, darunter Budapest, Lissabon und die Kanaren. Im November eröffnen die Iren außerdem neue Basen in Hamburg und Nürnberg. Ab der Hansestadt gibt es sieben neue Ziele, unter anderem dreimal wöchentlich Gran Canaria. Nürnberg bekommt fünf neue Strecken, darunter tägliche Verbindungen nach Rom und Budapest.
Easyjet fliegt in Deutschland im Winterflugplan 2016/17 auf 75 Strecken ab sieben Flughäfen: Berlin-Schönefeld, Dortmund, München, Hamburg, Dresden, Stuttgart und Friedrichshafen. Neu sind dabei fünf Routen, etwa die nach La Palma ab Berlin, wo die Airline ihre Hauptbasis in Deutschland hat. Auf kleineren Flughäfen, wo die Riesen nicht so sehr expandieren, machen sich andere Airlines breit – wie Wizz Air in Karlsruhe, Dortmund und Hannover.
4. Günstige Langstreckenflüge
Die Billigflieger haben längst nicht mehr nur europäische Ziele im Visier – sie drängen auf die Langstrecke. Möglich wird das durch neue Flugzeugtypen wie die Boeing 787 oder Reichweitenverstärkungen bei klassischen Modellen wie Airbus A320 oder Boeing 737.
Eurowings fliegt mit dem Airbus A330 von Köln-Bonn beispielsweise nach Bangkok und Phuket in Thailand oder nach Miami, Mexiko und in die Dominikanische Republik. Neu kommen ab 15. Dezember Direktflüge von Köln-Bonn nach Havanna und ab Juli 2017 nach Las Vegas hinzu.
Norwegian hat schon zahlreiche Transkontinental-Verbindungen mit der Boeing 787 im Angebot, etwa von London-Gatwick nach Los Angeles. Die Isländer von Wow Air bieten günstige Nordamerika-Flüge mit Stopp in Reykjavík an und wollen ebenfalls weiter wachsen.
5. Weniger Unterschiede
Billigflieger oder etablierte Airline? Diese Aufteilung ist oft kaum noch sichtbar. Viele gefühlte Tatsachen träfen gar nicht mehr zu, sagt Experte Christoph Brützel. Beispiel Sitzabstand: "Der ist bei Lufthansa in der Economy genauso eng wie bei Ryanair, bei Air Berlin sogar noch enger." Beispiel Handgepäck: "Die Höchstmaße und -gewichte sind bei klassischen Carriern inzwischen oft niedriger als bei Ryanair, Wizz Air und Easyjet."
Und die Pünktlichkeit? Da gibt es zwischen Premium und Low Cost in der Regel keine Unterschiede. Ein Negativbeispiel ist laut dem Portal Fairplane aber die Airline Eurowings. Ambiente an Bord? Gerade die Billigflieger bauen ihre Flotten derzeit meist mit neuen, modernen Flugzeugen aus. Und das Thema Sicherheit nehmen die Billigflieger ohnehin genauso ernst wie alle anderen Airlines – wegen internationaler Vorgaben.
Fazit: Niedrigere Preise, weniger Übersicht
Keine Frage, die Billigflieger machen ihrem Namen alle Ehre – und das Reisen in Europa ziemlich günstig. Der Erfolg von Ryanair und anderen Low-Costern spricht für sich. Gleichzeitig muss der Passagier so genau hinsehen wie noch nie: Die Billigflieger lassen sich jeden Service bezahlen, und auch die Premium-Airlines bieten zunehmend verschiedene Tarife an – deren Light-Pakete ähneln im Leistungsumfang eher den Billigangeboten von Ryanair und Co.
Gibt es auch Nachteile der Billigflieger?
Ja. Zum einen ist die Anreise zu manchen Flughäfen wie Frankfurt-Hahn oder Düsseldorf-Weeze länger. Und dann ist da das Thema Fluggastrechte. In den meisten Fällen würden berechtigte Entschädigungsforderungen, die Fluggästen ab einer Verspätung von mehr als drei Stunden am Reiseziel zustehen, zunächst abgelehnt oder ignoriert, erklärt das Fluggastrechte-Portal Flightright.
Zwar tun sich viele andere Airlines hier auch nicht gerade positiv hervor. Doch Ryanair etwa gilt eindeutig als schwarzes Schaf: In mehr als 98 Prozent der Fälle lasse es die Fluggesellschaft auf eine Klage ankommen. Ob das die Beliebtheit letztlich schmälert, ist aber sehr fraglich. Insbesondere in Zeiten, wo ein Ferienflieger wie Tuifly wegen massenhafter Krankschreibungen der Crews Dutzende Flüge ausfallen lässt und erklärt, keine Entschädigung zahlen zu wollen.