Dispokredite werden immer teurer: Schuldenfalle droht
Stand: 21.11.2022
Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: dpa/tmn
Die Waschmaschine kaputt, die Familienfeier doch etwas größer? Wer gerade nicht genug Geld auf dem Konto hat, kann den Dispokredit in Anspruch nehmen. Das lohnt sich aber nur für kurze Zeit, denn die Zinsen sind meist viel höher als bei einem Ratenkredit.
Bei den Dispozinsen langen manche Banken inzwischen wieder richtig zu. Das kann Verbraucher in Zeiten hoher Teuerungsraten zusätzlich in Bedrängnis bringen. «Ich vermute, dass manche Verbraucherinnen und Verbraucher angesichts der steigenden Inflation schneller in den Dispo rutschen werden als in der Vergangenheit», sagte Heike Nicodemus von der Zeitschrift «Finanztest» der Deutschen Presse-Agentur. «Wenn Kreditinstitute derzeit die Dispozinsen erhöhen, dann gleich kräftig. Die Dynamik hat sich seit Mai verstärkt», berichtete Nicodemus. Das sorgt für Diskussion.
Wer ein Girokonto hat, kann es in der Regel bis zu einer festgelegten Summe überziehen. Nehmen Verbraucher den Kredit in Anspruch, müssen sie dafür in den allermeisten Fällen Zinsen zahlen.
Günstige Dispozinsen bis 8 Prozent
Nach Angaben von Nicodemus lag der Dispozinssatz im Mai vor der «Finanztest»-Girokontenuntersuchung im Rahmen einer Stichprobe im Schnitt bei 9,25 Prozent. Bei noch 99 Kontomodellen war er damals nicht höher als 8 Prozent. Bis Mitte November stieg der Zinssatz auf durchschnittlich 9,89 Prozent, nur noch 69 Modelle von insgesamt knapp 440 wiesen nicht mehr als 8 Prozent auf. Im teuersten Fall waren es 13,92 Prozent. «Alles bis 8 Prozent ist aus unserer Sicht noch vergleichsweise günstig», sagte Nicodemus.
Der Dispozins ist an ein Referenzzinssystem gekoppelt. Ein üblicher Referenzzins ist der Drei-Monats-Euribor. Er geht bei steigenden Zinsen zeitversetzt nach oben, berichtete Nicodemus. «Banken müssten die Erhöhung nicht umsetzen, aber sie können es. Wir haben festgestellt, dass Kreditinstitute im Schnitt vergleichsweise schnell die Zinsen erhöhen.»
Inflation macht Verbrauchern zu schaffen
Gerade in Zeiten hoher Inflation droht das laufende Einkommen in manchen Fällen nicht zu reichen. Bei einer Befragung im Auftrag der Auskunftei Schufa Anfang Oktober gab die Hälfte der Verbraucherinnen und Verbraucher (50 Prozent) an, in den vergangenen sechs Monaten bereits auf Rücklagen zurückgegriffen zu haben. 24 Prozent der rund 1000 Befragten sagten, dass sie in diesem Zeitraum ihr Konto überzogen hätten. Ein Viertel zögerte die Zahlung von Rechnungen hinaus – bis zur Zahlungsfrist oder sogar darüber hinaus.
Schufa-Vorstandsmitglied Ole Schröder sprach von einer beunruhigenden Entwicklung. «In unserem Datenbestand sehen wir, dass in den Monaten August bis Oktober die Zahl der Personen, die erstmals Zahlungsstörungen haben, um 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gestiegen ist.»
Verbraucherschützer kritisieren Banken
Verbraucherschützern zufolge sind zu hohe Dispozinsen schon lange ein großes Ärgernis für Verbraucherinnen und Verbraucher. «Die Forderung nach einem Deckel ist vielfach aufgeworfen, aber nie ernsthaft aufgegriffen worden», sagte Dorothea Mohn, Leiterin Team Finanzmarkt beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Neben der Höhe des Zinses sollte alles dafür getan werden, dass der Dispokredit richtig genutzt werde, also als kurzfristige Überbrückung vorübergehender Liquiditätsengpässe. «Banken müssen mit in die Verantwortung genommen werden, dafür zu sorgen, dass der Dispo nicht zur Überschuldungsfalle wird», forderte Mohn.
Wer längere Zeit knapp bei Kasse ist und kein Guthaben auf dem Konto hat, ist mit einem Ratenkredit oft besser bedient. Denn hier liegen die Zinsen in der Regel unter denen eines Dispokredits. Wer den Dispo bereits länger nutzt, sollte über einen Umschuldungskredit nachdenken. Auf diese Weise können Verbraucherinnen und Verbraucher viel Geld sparen.
Politiker für Obergrenze beim Disopzins
Politiker wie der Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch und der Grünen-Finanzpolitiker Stefan Schmidt forderten bereits, die Höhe der Dispozinsen zu begrenzen. «Grundsätzlich halten wir Grüne es für notwendig, Dispozinsen gesetzlich zu deckeln», sagte Schmidt unlängst. Der Zinsdeckel solle die Menschen vor ausufernden Kosten schützen.
Banken wehren sich
Die Deutsche Kreditwirtschaft lehnt eine Deckelung der Dispozinsen ab. «Ein staatlicher Eingriff in den Marktmechanismus hätte zum Beispiel zur Folge, dass der Deckel wahrscheinlich auch der dann geltende Satz wäre - der Wettbewerb würde eingeschränkt.» Gerade Verbraucher profitierten von dem wettbewerbsintensiven deutschen Bankenmarkt. «Dank eines großen Angebotes haben es Bankkunden selbst in der Hand, wo und zu welchen Konditionen sie einen Dispokredit nutzen wollen», argumentierte der Dachverband der fünf großen Bankenverbände in Deutschland.