Reiserücktrittsversicherung zahlt oft nicht bei Vorerkrankungen
Stand: 05.11.2019
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Wer einen teuren Urlaub bucht, sollte auch eine Reiserücktrittsversicherung abschließen. Schließlich kann jederzeit ein Krankheitsfall eintreten. Doch wer an Vorerkrankungen leidet, muss das Kleingedruckte der Reiserücktrittsversicherung sehr genau lesen. Unter Umständen verweigert die Versicherung nämlich im Ernstfall die Leistung.
Chronisch Kranke bleiben oft auf Stornokosten sitzen
Bei Versicherten zum Beispiel mit Diabetes oder Bluthochdruck gelten oft spezielle Bedingungen. Gezahlt wird etwa bei "plötzlich schwerer Erkrankung". Zählen dazu auch chronische Erkrankungen, die zwar medikamentös gut eingestellt sind, aber plötzlich akut werden?
Von der Rechtsprechung werde das tendenziell verneint, weiß der Rechtsanwalt Paul Degott aus Hannover. Das heißt: Bei einer solchen Klausel bleiben chronisch Kranke auf den Stornokosten sitzen.
Versicherungsbedingungen genau prüfen
Der Reiserechtsexperte rät Urlaubern mit solchen Vorerkrankungen daher, mehrere Anbieter konkret zu fragen: Besteht Versicherungsschutz, wenn sich eine bestehende Erkrankung akut verschlechtert und die Urlaubsreise deshalb nicht mehr möglich ist?
Streit gibt es oft über die Frage, zu welchem Zeitpunkt der Versicherte seinen Rücktritt von der Reise erklären muss. Denn häufig ist zunächst unklar, ob man reisen kann oder nicht. Das stellt sich teils erst während der Behandlung heraus.
"Die Reiserücktrittskostenversicherungen argumentieren, man hätte schon beim ersten Arztbesuch den Reiserücktritt erklären müssen. Dann wären die Stornokosten nicht so hoch gewesen", sagt Degott. Somit zahlten die Versicherungen oft nicht den vollen Stornobetrag.
Medizinische Stornoberatung der Versicherer
Um hier Klarheit zu schaffen, können sich Versicherte an die medizinische Stornoberatung wenden, die einige Versicherer anbieten, wie Birgit Dreyer von der Ergo Reiseversicherung rät. Dort geben Reisemediziner eine Empfehlung, mit der Urlauber auf der sicheren Seite sind. Muss später dann doch noch storniert werden, gingen höhere Stornogebühren zu Lasten der Versicherung.
Wenn ein Reisender nicht damit rechnen muss, dass sich seine Vorerkrankung verschlechtert, sollte er sich dies von einem Arzt bestätigen lassen. Dazu rät auch die Ergo Versicherung. Die Bescheinigung stellt dann fest, dass gegen Art der Reise sowie Reiseziel und -dauer aus medizinischer Sicht keine Bedenken bestehen.
Doch auch hier kommt es auf den Wortlaut an. Nach den Erfahrungen von Rechtsanwalt Degott geben sich Ärzte oft wenig Mühe, präzise zu formulieren - und das kann zu Streit mit der Versicherung führen.
Auslandsreisekrankenversicherung dringend empfohlen
Jeder Urlauber sollte eine Auslandsreisekrankenversicherung abschließen, das gilt natürlich auch chronisch Kranke. Die Police schützt Urlauber vor hohen Kosten, wenn unterwegs etwas passiert. Denn die gesetzliche Kasse zahlt oft nicht für teure Behandlungen, sie orientiert sich an der Höhe der deutsche Vertragssätze. So läuft man Gefahr, Hunderte Euro aus eigener Tasche bezahlen zu müssen.
Für chronisch Kranke kann es auch hier Probleme geben. Zwar müssen Urlauber beim Abschluss einer Auslandsreisekrankenversicherung keine Fragen zu ihrem Gesundheitszustand beantworten. Doch vorhersehbare Behandlungen einer bereits ärztlich diagnostizierten Krankheit würden häufig ausgeschlossen, erklärt Kim Paulsen vom Bund der Versicherten. Wichtig sei ein Tarif mit verbraucherfreundlichen Bedingungen.
Orientierungshilfe bieten zum Beispiel die Tests der Stiftung Warentest (Zeitschrift "Finanztest", Ausgaben 3/2018 und 9/2019). Hier finden Verbraucher auch Infos zu Ausschlussklauseln, die sich bei einer Vorerkrankung im Stornierungsfall negativ auswirken können.
Am besten bei der Versicherung anrufen
"Betroffene sollten sich nicht scheuen, bei der Versicherung anzurufen und die konkrete Situation anzusprechen", empfiehlt Birgit Brümmel von der Stiftung Warentest. Das gilt besonders, wenn Reisende schubweise auftretende Krankheiten haben. So sind sie vor teuren Überraschungen geschützt.
Auch wenn es mühsam ist: Urlauber sollten auf jeden Fall das Kleingedruckte lesen, sagt Brümmel. Greift die Reiserücktrittspolice laut Vertrag zum Beispiel nur für "plötzliche, unerwartete, schwere, akute, unvorhersehbare oder nicht absehbare Behandlungen", heißt das im Umkehrschluss: Chronische Erkrankungen sind ausgeschlossen.
Auf genaue Formulierungen achten
Ähnliches gilt bei der Auslandsreisekrankenversicherung: Mit Formulierungen wie "nicht aufschiebbare Behandlung" und "medizinisch notwendiger oder ärztlich angeordneter Rücktransport" halten sich die Versicherungsunternehmen ein Hintertürchen offen. Wichtig ist, dass auch "aufschiebbare" Behandlungen und ein "medizinisch sinnvoller und vertretbarer" Rücktransport versichert sind.
Bei Streit hilft der Ombudsmann
Verweigert die Versicherung die Zahlung, bleiben Urlauber nicht unbedingt auf den Kosten sitzen oder müssen vor Gericht ziehen. Es gibt auch Schlichtungsstellen. Die Ombudsmänner für Versicherungen helfen bei Streitfällen zu Reiserücktritt und Reiseabbruch. Die Schlichtungsstelle der Privaten Krankenversicherungen kümmert sich um Fälle rund um die Reisekrankenversicherung. Die Streitbeilegung ist kostenlos. Sie muss laut Gesetz aber binnen 90 Tagen erfolgen.
Bei einem Streitwert von bis zu 10.000 Euro kann der Ombudsmann für Versicherungen eine Entscheidung treffen, die für das Unternehmen verbindlich ist. Innerhalb dieses Rahmens liegen fast 90 Prozent aller Fälle.
Bei höheren Streitwerten kann der Ombudsmann eine Empfehlung aussprechen. Allerdings lohnt sich auch im Hinblick auf ein mögliches Schlichtungsverfahren ein Blick ins Kleingedruckte. Denn bei einigen Versicherern ist die Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren bei Schlichtungsstellen von vornherein ausgeschlossen.