Zahlt die Kaskoversicherung bei Betriebsschaden?
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Die Kaskoversicherung zahlt bei einem Unfall-, nicht bei einem Betriebsschaden. Wann aber liegt ein Unfall,- wann ein Betriebssschaden vor?
Das Wichtigste in Kürze
- Ein Betriebsschaden wird nicht von der Kaskoversicherung übernommen.
- In der Rechtsprechung herrscht in weiten Teilen keine Einigkeit, wann es sich um einen von der Versicherung gedeckten Unfall und wann um einen nicht versicherbaren Betriebsschaden handelt.
- Verweigert der Versicherer die Leistung mit dem Hinweis auf einen Betriebsschaden, lohnt sich oftmals der Weg zum Anwalt.
Was ist ein Betriebsschaden, was ist ein Unfallschaden?
Ein Unfallschaden entsteht, wenn das Fahrzeug durch ein plötzlich auftretendes, von außen auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis, beschädigt wird. Der Fahrer fährt mit dem Auto gegen eine Wand. Die Wand ist in diesem Fall das mechanisch von außen auf das Auto einwirkende Ereignis. Die Kaskoversicherung deckt in erster Linie Unfallschäden ab. Die Vollkasko auch selbst verursachte. Somit besteht ein Leistungsanspruch gegenüber der Vollkaskoversicherung.
Ein Betriebsschaden entsteht durch den Gebrauch der Sache von innen heraus, also ohne ein plötzlich eintretendes äußeres Ereignis. Angenommen, während der Fahrt öffnet sich die nicht ordnungsgemäß verschlossene Motorhaube. Als Folge schlägt sie gegen die Frontscheibe, die zersplittert. Theoretisch wäre dies jetzt ein Fall für die Teilkaskoversicherung, da über diesen Vertragsbestandteil Glasschäden am Auto abgedeckt sind. In der Praxis besteht für den Versicherer jedoch keine Leistungspflicht. Warum nicht?
Die Motorhaube ist ein zum Fahrzeug gehörender Bestandteil. Auch wenn es sich beim Öffnen um ein mechanisches Ereignis handelt, wirkt es aber nicht von außen ein, sondern aus dem Betrieb des Fahrzeuges sozusagen "von innen”. Juristisch formuliert, liegt ein Betriebsschaden dann vor, wenn sich ein dem Verwendungszweck des Fahrzeugs entsprechendes und von vornherein nicht auszuschließendes Risiko verwirklicht.
Betriebsschäden eher im gewerblichen Bereich
Betriebsschäden treten weniger bei Pkws auf, sondern finden sich eher im gewerblichen Güterverkehr. Bei einem Lkw mit Hänger kommt der Hänger auf Eis ins Rutschen und fällt um. Durch den Sturz prallt die Zugmaschine gegen eine Wand. In diesem Fall ist es Sache eines Gerichts zu entscheiden, ob der Schaden an der Zugmaschine als Unfall zu werten ist, da die Wand eine entscheidende Rolle spielte. Der Schaden am Hänger ist klar ein Betriebsschaden.
Unfall- und Betriebsschaden verkettet
Richtig schwierig wird die Frage, ob die Kaskoversicherung bezahlt, wenn sich Betriebs- und Unfallschaden vermischen. Dazu ein Beispiel aus dem Bereich Pkw.
Ein Pkw hat einen Unfall und bleibt schräg an einer Böschung liegen. Der Motor läuft weiter. Durch die Schräglage kommt aber kein Öl mehr in die Zylinder, ein Motorschaden ist die Folge. Auch wenn es sich um einen Ölmangelschaden, also einen Betriebsschaden handelt, ist die Kaskoversicherung im Regress, da es sich um einen Folgeschaden eines Unfalls handelt.
Dies wirkt sich auf den Restwert des Fahrzeuges aus. Durch den unfallbedingten Motorschaden fällt der Restwert deutlich niedriger aus, als wenn der Motorschaden bei der Schadensermittlung außer Acht gelassen werden könnte. Die Differenz zwischen kaputtem Auto und nicht versichertem Motorschaden müsste der Halter bei einem Betriebsschaden selbst tragen.
Gerichte mit unterschiedlicher Auffassung von Unfall- oder Betriebsschaden
Selbst die Justiz hat ihre Schwierigkeiten damit, genau festzuhalten, wann ein Schaden als Betriebsschaden gilt und wann als Unfallschaden. Folgender identischer Sachverhalt wurde von drei Gerichten bewertet:
Die betreffenden Fahrzeuge überführen eine nicht erkennbare Bodenwelle. Da die Geschwindigkeit nicht an Bodenwellen angepasst ist, fahren sie zu schnell und es kommt zu einer Beschädigung an den Fahrzeugen.
- Das Landgericht München II sah in diesem Sachverhalt einen Unfallschaden (LG München II, Urt. v. 13.01.2017 - 10 O 3458/16 Ver), da die Bodenschwelle plötzlich von außen einwirkt.
- Das OLG Nürnberg (Hinweisbeschl. v. 30.11.2016, Az. 8 U 934/16) und das
- OLG Stuttgart (Urt. v. 30.07.2020, Az. 7 U 57/20) werteten diesen Sachverhalt jedoch als ganz normales Risiko, dem ein Fahrzeug bei der ihm angedachten Verwendung ausgesetzt ist.
Der Bundesgerichtshof (BGH, Urt. v. 19.12.2012, Az. IV ZR 21/11) wertete in einem anderen Zusammenhang die Fahrbahnbeschaffenheit jedoch ebenfalls als Unfallauslöser und nicht als betriebsimmanentes Risiko.
Die unterschiedliche Interpretation in der Rechtsprechung sollte Fahrzeughalter dazu motivieren, den Rechtsweg einzuschlagen, wenn der Versicherer eine Schadensregulierung mit dem Argument des "Betriebsschadens” verweigert. Rechtsschutzversicherungen sind in diesem Fall sinnvoll für die Kostenübernahme.
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