Fahrbericht McLaren 620R: ein Traum für reiche Raser
Stand: 20.08.2020
Bildquelle: ©McLaren / Text: SP-X
Die Laufzeit der McLaren Sports Series neigt sich dem Ende zu. Doch statt sang- und klanglos einen Nachfolger auf den Weg zu bringen, verabschieden die Briten ihre Einstiegsbaureihe mit einem ordentlichen Kraftakt: Der 620R ist das stärkste und schärfste Modell der Familie und lässt sich weder von Paragraphen noch von Pandemien stoppen.
Unter dem Lockdown hatten die letzten Monate alle zu leiden, erst recht in Großbritannien. Doch zumindest in der britischen PS-Branche hat wahrscheinlich niemand so sehr dem Neustart entgegengefiebert wie James Warner. Denn er ist bei McLaren der Projektleiter für den 620R und hatte ein besonders knappes Zeitmanagement: Weil die so genannte Sports Series zum Jahresende unweigerlich ausläuft, blieben ihm für das neue Top-Modell der – nun ja – Einstiegsbaureihe nur wenige Monate. Dabei war der Job kein leichter. Schließlich musste er einen Rennwagen für die Rundstrecke für den Einsatz auf der Straße umbauen und den 570S GT4 deshalb ins Korsett der Zulassungsvorschriften zwängen. Und zwar so, dass er seine Ambitionen nicht einbüßt und trotzdem einen Rest an Alltagstauglichkeit bietet – und dass er auch von Amateuren gefahren werden kann. Doch Warner hat es geschafft, und jetzt, wo die Produktion so langsam wieder anläuft, beginnt zu wenig bescheidenen Preisen von knapp 300.000 Euro aufwärts auch die Auslieferung.
Ein Rennwagen für die Straße
Denn von nahezu aller Isolation und Dämpfung befreit, röhrt der Motor im Nacken des Fahrers noch rotziger und rauer, die Lenkung ist direkter und die manuell einstellbaren Dämpfer machen kaum mehr Kompromisse. Soll es die Knochen ruhig durchschütteln, Hauptsache das Coupé klebt auf der Straße. Und das tut es! Selbst ohne die eigens von Pirelli für Trackdays entwickelten Slicks entwickelt der McLaren eine beeindruckende Haftkraft und egal mit wie viel Biss der Fahrer zu Werke geht, lässt sich der 620R kaum aus der Reserve locken: Eisern hält er die Spur, stemmt sich gegen die Fliehkraft und lässt sich so an der kurzen Leine erstaunlich, nein eher erschreckend schnell die Ideallinie entlang führen.
Zwar beginnt jetzt tatsächlich die Auslieferung und der 620R hat sich vor seinem Tiefflug über die Zielgerade am Ende weder von Paragraphen, noch von der Pandemie stoppen lassen. Doch so ganz unbeschadet ist das Modell fürs furiose Finale doch nicht durch den Lockdown gekommen: Weil Chief Ingenieur Warrner über drei Monate in der Produktion fehlen, werden jetzt nur 225 statt der ursprünglich geplanten 350 Exemplare gebaut. Reiche Raser sollten deshalb schon Gas geben – und sich schnell eines der letzten Autos sichern.
Autor: Benjamin Bessinger