Zensur im Internet nimmt zu
Stand: 24.03.2010
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Hamburg - Zumindest für Diktatoren und autoritäre Herrscher ist China ein Vorbild. Denn das kommunistische Regime in Peking filtert und überwacht das Internet mit einem ausgeklügelten System, das seinesgleichen sucht. Es nimmt auch Technologieunternehmen wie Google in die Pflicht. China ist jedoch längst nicht der einzige Staat, der den Zugang zum globalen Netz beschränkt: Da sich immer mehr Menschen online informieren und austauschen, wollen auch immer mehr Machthaber im Cyberspace die Kontrolle behalten.
Die Organisation "Reporter ohne Grenzen" (ROG) zählte 2009 rund 60 Länder, die das Internet zensieren - eine Verdopplung im Vergleich zum Vorjahr. Auf knapp 40 Staaten kommt die "Open Net Initiative" (ONI), die von den renommierten Universitäten in Harvard, Oxford, Cambridge und Toronto getragen wird. Zum Vergleich: 2002 beschränkten laut ONI erst zwei Länder die Freiheit im Netz.
Die Zahlen unterscheiden sich, der Trend ist aber der gleiche: Die Zensoren nehmen das Internet ins Visier. "Der Anstieg hängt damit zusammen, dass das Netz im Alltag und auch in der Politik immer wichtiger wird", sagt Harvard-Professor John Palfrey. Handy oder PC reichen, um sich online zu informieren oder Fotos und Videos zu veröffentlichen - vorbei an Presse und Fernsehen. "Die totale Offenheit kann für Diktaturen einen destabilisierenden Effekt haben", betont der Internet-Experte.
Warum autoritäre Machthaber vernetzte Untertanen fürchten müssen, zeigten die Proteste gegen das iranische Mullah-Regime im vergangenen Sommer: Über den populären Kurzmeldungsdienst Twitter organisierten Demonstranten ihre Kundgebungen und schickten Links mit Fotos und Berichten um die Welt.
China setzt bei der Überwachung mit der "Great Firewall" den Maßstab. Dieses Zensursystem bezeichnet "Reporter ohne Grenzen" als "technologisch am weitesten entwickelt". Neben dem kommunistischen Regime macht die Organisation elf weitere "Feinde des Internets" aus. "In diesen Staaten werden unliebsame Internetnutzer systematisch verfolgt und unerwünschte Online-Informationen oft mit großem technischen Aufwand zensiert", klagt die Organisation. Neben China und dem Iran sind das etwa Saudi-Arabien, Syrien, Tunesien, Ägypten und Vietnam.
Einige Machthaber schneiden ihre Bevölkerung sogar nahezu komplett vom Internet ab: Nordkorea, Birma und Kuba, aber auch die frühere Sowjet-Republik Turkmenistan. "Sie beheben nicht die Mängel in der Infrastruktur, weil es ihren Zwecken dient", schreibt ROG. So bleiben die Verbindungen langsam, die Preise hoch. In Kuba etwa kostet eine Stunde im Netz mindestens 1,50 Dollar - für die meisten Bewohner des armen Inselstaates ist das unbezahlbar. Dass sie mit der Isolation der eigenen Wirtschaft schaden, nehmen die Machthaber in Kauf.
Bei der Internet-Zensur verlassen sich die Regierungen nicht allein auf ihren eigenen technischen Systeme. Wie der aktuelle Streit zwischen Google und China zeigt, nehmen sie vermehrt Internetanbieter in die Pflicht. Gerade Suchmaschinen - Ausgangspunkt der meisten Recherchen - sind im Fokus. "Der Druck auf Unternehmen wie Google wird daher weiter zunehmen", sagt Palfrey.
Doch nicht nur Diktatoren kontrollieren das Netz. Australien ist beispielsweise wegen seiner Filterregeln in der Kritik. Die Zensur sei im Vergleich zu westlichen Staaten auffallend strikt, auch wenn sie nicht das Ausmaß repressiver Regime erreiche, schreibt die Open Net Initiative. Die Türkei wiederum - NATO-Mitglied und Kandidat für den EU-Beitritt - blockiert derzeit rund 3700 Websites, wie die OSZE berichtet. In den meisten Fällen gehe es um "Obszönität" und die "sexuelle Ausbeutung von Kindern", die Organisation registrierte aber auch Sperren "aus willkürlichen und politischen Gründen".
Vor allem die hochangesehene Armee und Staatsgründer Kemal Atatürk sind tabu. Auch wenn es um Bevölkerungsgruppen wie Kurden und Armenier geht, schlägt die türkische Zensur oft zu. Das Videoportal YouTube etwa ist komplett gesperrt, weil dort unter anderem Filme zu finden waren, die Atatürk verulkten. Gegen die Blockade regt sich aber Widerstand: Blogger protestieren mit Texten, während viele Nutzer mit technischer Hilfe doch zum Ziel kommen.
Doch die türkischen Nutzer sind damit eine Ausnahme - in den meisten Ländern ist es schwierig, die Zensoren auszutricksen. "Nur einige Aktivisten haben die finanziellen und technischen Möglichkeiten, um Sperren zu umgehen", sagt Michael Rediske, Vorstandsmitglied bei ROG. "Der allergrößte Teil der Bevölkerung muss sich aber mit einem begrenzten Zugang zufriedengeben."